2292 - Dreimal ewiges Leben
Rampe hinaufbewege. Fast habe ich den Eindruck, dass er erleichtert ist, mich gehen zu sehen.
Im Beiboot werde ich schon erwartet. Es sind insgesamt zwei Motoklone und vier Traken, die verstohlen Witterung aufnehmen. „Es ist uns eine Ehre, dass du dich uns anvertraust", begrüßt mich der Pilot der kleinen Einheit. Sie erwähnen mit keinem Wort, wie entsetzt sie über meinen Zustand sind. Aber wie es sich für gute Befehlsempfänger gehört, justieren sie sofort meinen Gravoneutralisator nach.
Dabei kommen sie mir nahe, und der Gestank aus ihren Mündern erschlägt mich fast. Das kommt von dem Fleisch, das sie immer roh vertilgen. Am liebsten hätte ich sie von mir gestoßen, aber ich will kein böses Blut schaffen. Sie sollen mir gern dienen.
Du bist nur gereizt, sagt meine Positronik.
Ich weiß, dass ich gereizt bin! Ich will das Relais eigentlich gar nicht verlassen, aber ich habe keine andere Wahl. Dabei ist mir vollkommen bewusst: Jede Stunde außerhalb des Stock-Relais erhöht die Geschwindigkeit, mit der mein Körper verfällt.
Deshalb zittere ich auch am ganzen Leib, als ich von einem Traken in einen Ruheraum geführt werde, nicht wegen der Anstrengung, die mir die Krücken abverlangen. „Verbinde mich mit dem Chef eurer Medo-Abteilung", sage ich.
Der Trake führt emsig den Befehl aus, geduckt und mit fliegenden Händen. Gleich darauf, während ich mich hinlege und den Neutralisator ausschalte, flammt vor mir ein Vidfeld auf.
Es ist Rektan Orr, der Erste Medo-Spezialist der TITAN-09. Ich habe schon viel von ihm gehört. Eine Koryphäe. Er dürfte genau der Richtige sein, um mich medizinisch zu betreuen.
Ein Holodisplay neben mir verrät mir, dass das Beiboot startet und schnell zur TITAN-09 hinauffliegt. Es wird nur Minuten dauern, bis wir dort eintreffen.
Rektan Orr stellt mir einige Fragen. Er nimmt meine Anamnese auf.
Dieser Trake ist meine ganze Hoffnung.
Danach verspüre ich jähe Müdigkeit und versinke in einen unruhigen Schlaf. Ich erwache, als das Beiboot anlegt. „Kopplung!", hallt es aus einem Akustikfeld.
Ich habe nicht genug Zeit, mich zu erheben, bevor das Schott zu meinem Quartier sich öffnet.
Aber das beunruhigt mich nicht, alles folgt genau meinen Befehlen. Die Techniten, die in den Raum strömen, stammen aus der TITAN-09. Rektan Orr muss sie sofort in Marsch gesetzt haben, um zu beweisen, dass er mir unverzüglich helfen will.
Sie haben eine Energietrage dabei, auf die sie mich umbetten. In einer gespenstischen Prozession, die mich an einen Leichenzug erinnert, eskortieren sie mich aus dem Beiboot und durch zahlreiche Korridore in einen hell erleuchteten Raum.
Komm bloß nicht auf den Gedanken, sie alle umzubringen!, höre ich Enkrine II.
Der Gedanke war mir tatsächlich .kurz gekommen. Es ist für mich schrecklich, sie mein Leid sehen zu lassen. Aber ich kann nicht das gesamte Schiff zerstören.
In dem Raum ist es so gleißend hell, dass ich anfangs gar nichts erkennen kann und die Augen zukneife. Ich spüre, wie mein neuer Symbiont sich bewegt, und kann nur mit Mühe die Panik unterdrücken, dass er mich vielleicht gerade jetzt verlassen will.
Enkrine!, denke ich. Mir ist klar, dass wir nicht immer einer Meinung waren, und du hast viel durch mich erdulden müssen, aber geh nicht -nicht jetzt!
Wie kommst du darauf, ich könnte gehen wollen?
Er klingt ehrlich irritiert, und mir wird klar, dass er das nie vorhatte. Er ist ja auch nicht Enkrine. Er ist Enkrine, II, eine Positronik, die jedem meiner Befehle gehorcht. Ich fühle mich noch zu sehr mit dem Original verbunden, so dass meine Fantasie mir Streiche spielt. Sie gaukelt mir vor, dass er Enkrine wäre und wie Enkrine handelte. Ich spüre sogar das leichte Ziehen, das sich immer eingestellt hat, wenn Enkrine sich von mir löste.
Ich habe doch nur noch mein bisschen Leben, wimmere ich.
Unwillkürlich ziehe ich mir die Krempe des orangefarbenen Huts tiefer ins Gesicht. Niemand soll die Angst in meinem Blick sehen, erst recht, nicht die Mediker und ihre Helfer. Sie stehen rangmäßig so weit unter mir. Aber ich brauche ihre Hilfe.
Ich räuspere mich. „Was geschieht jetzt?", frage ich auf meiner Trage.
Das ist ins Blaue hinein gefragt, wortwörtlich in ein gleißendes Hellblau, das sich über mich geschoben hat und immer mehr einhüllt. Er wabert wie ein energetischer Schirm, und nur schemenhaft kann ich das Gesicht erkennen, das dahinter auftaucht.
Oval, die fellartigen Stacheln seitlich bis dicht an die Augen
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