2333 - Die Universale Schneise
haben."
Alaska schluckte schwer. Diese innige Sympathiebekundung überraschte - und überforderte! - ihn. Er hatte sich stets viel darauf eingebildet, undurchdringlich und undurchschaubar zu wirken, Distanz zu allen einzuhalten. Unabhängigkeit ... Stand er im Begriff, sie einzutauschen oder zu erhalten? Und wenn er sie eintauschte - wofür? Er musste es wissen.
Er musste.
Terraner waren im Hinblick auf ihre Neugierde wie Katzen. Er wusste es, doch er konnte nichts daran ändern. „Nun?"
Alaska nickte bedächtig.
Xa-Va-Riin atmete tief durch. „Dann werden wir aufbrechen. Unser Ziel ist das Sternsystem Rosella Rosado in der Galaxis Altasinth. Die Reise wird ungefähr zwanzig Tage in Anspruch nehmen."
„Was wird mich dort erwarten?"
„Unsere Basis. Die Mondkette der Friedensfahrer. Du wirst von einer höheren Instanz überprüft werden und Gelegenheit erhalten, dir mehr Klarheit zu verschaffen. Wenn alles gut geht, erhältst du einen ersten Auftrag. Solltest du ihn zur Zufriedenheit aller erfüllen, steht deiner Aufnahme in die Gemeinschaft der Friedensfahrer nichts mehr im Weg."
So ich es denn will, dachte Alaska.
Und kannte die Antwort bereits.
*
Callebu schulte ihn während der nächsten Tage im Thonischen, der Verkehrssprache der Friedensfahrer. Alaska fiel es schwer, sich an die nur zwei zur Verfügung stehenden Zeitebenen - Vergangenheit und Zukunft - zu gewöhnen. „Du musst dich fließend in Thonisch unterhalten können, bevor du die Mondkette betrittst", mahnte ihn der Medorob, als er sich wieder einmal gehörig verhaspelte. „Eine Hypnoschulung ist traditionell tabu. Wenn du die Sprache nicht fließend beherrschst, darfst du die Initiation auf dem Kapellenmond nicht empfangen."
„Dem Kapellenmond?"
Callebu rotierte mit seinem Sensorkranz einmal nach links, dann nach rechts.
Das ist Unsicherheit, die der Bio-Anteil auf den Robotkörper abstrahlt, konstatierte Alaska. Er hat sich vertan. Er glaubte, dass ich von Xa-Va-Riin bereits über diesen Kapellenmond Bescheid weiß. „Erzähl mir mehr über das, was mich auf der Mondkette erwartet."
„Das steht mir nicht zu", erwiderte Callebu, plötzlich wieder ruhig und gefasst. „Übersetze das Substantiv >Raumschiff< und dekliniere es ..."
Die Tage vergingen langsam, und sie waren erfüllt von stetig schwieriger werdenden Semantikaufgaben, mit denen ihn Callebu lustvoll quälte. Alaska, eher ein Techniker als ein Linguist, verfluchte seinen robotischen Lehrer, die Sprache - und seinen Leichtsinn. Xa-Va-Riin Qaar hatte ihn mehr öder weniger überrumpelt.
Warum hatte er bloß die Zusage gegeben, nach Rosella Rosado mitzufliegen? Er fühlte sich noch lange nicht bereit, den Friedensfahrern beizutreten. Für einen derartigen Schritt fehlte ihm nach wie vor ausreichendes Hintergrundwissen... „Wir tauchen, über die verlängerte Hauptachse kommend, in Altasinth ein", meldete MIRKET mit sanfter Stimme.
Der Friedensfahrer betrat die Zentrale.
Alaska hieß Callebu, sie allein zu lassen.
Widerwillig gehorchte der Roboter. „Wie geht es mit deinen Studien vorwärts?", fragte Xa-Va-Riin. „Mühsam", gestand Saedelaere und war froh, dass er für diese Auskunft keine Zeitebene zu bestimmen brauchte. Obwohl dies im Thonischen sogar bei Adjektiven möglich war.
Bullaugen, die bislang dunkel geblieben waren, „öffneten" sich. Auf der einen Seite des Schiffs herrschte besondere Sternendichte. Sonnen huschten an ihnen vorbei. Manche scheinbar nahe und rasch, langen Strichen nicht unähnlich, während sich andere nur unmerklich zur Seite hin verschoben. Der Bordcomputer simulierte Geschwindigkeit, die in diesem Überraum, durch den sie sich bewegten, gar nicht sichtbar war. „Die Quartale Kraft wird uns ganz nahe an Rosella Rosado heranbringen", sagte Xa-Va-Riin. Er setzte sich neben den Unsterblichen. Seine dunklen Augen glänzten. Sie waren jung geblieben und zeigten das Feuer, das nach wie vor im Friedensfahrer loderte. „Sieh dir diese Pracht an", forderte er Alaska auf. „Sonnen, deren Licht jahrtausendealt ist.
Die vielleicht schon längst verglüht sind, von Schwarzen Löchern verschlungen wurden oder Gesetzmäßigkeiten folgten, die wir mit unseren armseligen Sinnen einfach nicht erfassen oder verstehen können."
Der Maskenträger bemühte sich, dem Rat zu folgen - und schaffte es nicht. Zu viel hatte er in letzter Zeit gesehen, zu viel durchgemacht. Seine Leidenschaft und Liebe für die Mysterien des Alls waren fast erloschen.
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