2422 - Das verlöschende Volk
jüngste Kind ELEDAINS kehrte mit seinen Begleitern zurück zu der Stelle, wo es aus dem Kanal gekommen war. Die Anwesenden bildeten eine gewaltige Kugelschale um es herum, sie stellten sich mit Namen vor und warteten dann geduldig darauf, dass es ihnen antwortete.
Es ließ sich lange Zeit, als müsse es sich erst auf das besinnen, was hinter ihm lag.
Nennt mich Phragao, dachte es dann zur großen Verwunderung aller. Phragao ist der passendste Name, den ich tragen kann. So hat ELEDAIN es entschieden, und so soll es sein.
Phragao! Im alten Lanterns-Dialekt bedeutete es Letztgeborener.
Die Sekundim begannen zu rätseln, was es bedeutete. Hing es mit der Anweisung der Superintelligenz zusammen, die sie zwanzig Geburten zuvor an sie übermittelt hatte? Damals war die Aufforderung an sie ergangen, in Zukunft um Tare-Scharm einen großen Bogen zu machen.
Welche Botschaft bringst du uns?, fragten die Sekundim voller Sorge.
Sie wird euch nicht gefallen, sagt ELEDAIN. Aber es lässt sich nicht ändern.
Aus dem Mund des Neugeborenen erfuhren sie, dass in Tare-Scharm eine Negasphäre entstehen würde. Erste Anzeichen deuteten auf Aktivitäten der Chaosmächte hin, die dort in unterstützender oder in kreativer Weise tätig wurden. Welche Konsequenzen es für die umliegenden Sterneninseln hatte, vermochte ELEDAIN nicht zu sagen.
ELEDAIN rechnet damit, dass sie selbst der Negasphäre zum Opfer fallen könnte. Sie könnte fliehen, aber dann würde sie ihre Schutzbefohlenen zurücklassen. Es ist nicht ELEDAINS Art, das zu tun.
Die Sekundim berieten sich und gelangten zu dem Ergebnis, dass möglicherweise mehr dahintersteckte, als die Superintelligenz ihnen zu diesem Zeitpunkt mitteilte. Sie begnügten sich mit dieser Auskunft, obwohl ihre Verunsicherung von diesem Tag an stetig wuchs. Phragao konnte ihnen nicht mehr sagen als das, was ELEDAIN ihm an Informationen mit auf den Weg gegeben hatte.
Die Sekundim blieben eine Weile an Ort und Stelle. In dieser Zeit bewegten sich die beiden Sonnen einmal komplett um ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Als sich ELEDAIN noch immer nicht mit ihnen in Verbindung setzte, zogen sie nach und nach ab. Der Hunger meldete sich.
Phragao blieb bei einer Gruppe von Jüngeren, die sich am Rand von Tare-Scharm ein Übungsgelände zwischen Asteroidenfeldern auserkoren hatten.
Dort brachten sie dem Letztgeborenen bei, wie er sich durch den Hyperraum bewegen konnte und wie man mit der Kraft des eigenen Körpers selbst Felsen zerquetschte, die einen hohen Metallanteil aufwiesen.
Nach einer ausgiebigen Mahlzeit kehrten ein paar der Älteren zu der Gruppe zurück. Sie nahmen Phragao ins Kreuzverhör, aber er war hilflos, verstand ihre Fragen nicht.
Wie hat ELEDAIN es dir gesagt?
Klang ihre Stimme aufgeregt? Hat sie es genau so formuliert, wie du es uns ausgerichtet hast?
Wie habe ich es ausgerichtet? Ich habe euch das gesagt, was in meinem Bewusstsein vorhanden war, als ich begann, mich selbst zu spüren. ELEDAIN hat nicht zu mir gesprochen!
Die Sekundim begannen zu verstehen. Die Superintelligenz hatte Phragao das Wissen unmittelbar bei seiner Genese eingepflanzt, um so jede Möglichkeit auszuschließen, dass ihre Worte an unbefugte Ohren gelangten.
Wenn ELEDAIN die Gefahr so hoch einschätzte, dann würden bald weitere Schritte der Superintelligenz folgen.
*
Letztgeborener lernte schnell. Die Sekundim betrachteten ihn bald als einen ihrer Vordenker. Die Botschaft ELEDAINS und sein Rang als Letzter verschafften ihm die notwendige Autorität.
Gleichzeitig machte sich unter den Sekundim aber auch Trübsal breit. Ihre mentalen Fragen eilten öfter als früher durch den Leerraum, ihre Befürchtungen fanden Worte, die sie noch nie benutzt hatten. Selbstaufgabe, Trauer, Ziellosigkeit waren die meistbenutzten. Wenn ELEDAIN starb, was wurde aus den Sekundim? Gingen sie zusammen mit ihrer Mutter in eine höhere Existenzform über? Oder erloschen sie einfach, als hätte es sie nie gegeben?
Das konnte nicht sein, denn es widersprach dem, was die Superintelligenz ihnen immer wieder verkündet hatte.
Die Sekundim zogen ratlos hin und her, ihre Aufgaben in den einzelnen Galaxien erfüllten sie stereotyp, fast widerwillig. Manche schafften es nicht mehr, den dortigen Völkern auch jetzt noch Mentor und Wegweiser auf ihrem Weg ins All zu sein. Am liebsten hätten manche die Bewohner der Sterneninseln zur schnellstmöglichen Flucht in die Tiefen des Alls aufgestachelt, aber es brachte nichts. Auf
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