2443 - Eschers Plan
Patienten empfing, wahrzunehmen, so bestand kein Zweifel daran, dass er groß war. Der Diakater musste deswegen nicht alles abtasten, sondern er hörte es am Schall der Worte.
Außerdem standen viele Pflanzen mit großen Blättern darin – einige hatte er berührt, doch davon abgesehen roch er es. Da war die Erde, in der sie ihre Wurzeln ausstreckten, da war die erfrischende Menge des Sauerstoffs in der Luft, die anders war als überall sonst, obwohl der Wert der Atmosphäre in der BURTON automatisch auf perfektem Niveau gehalten wurde. Doch technische Perfektion unterschied sich von der Natürlichkeit, die diesen Ort bestimmte.
Fria Harrt legte die Hand auf Savoires Unterarm. Das tat sie seit der ersten Sitzung vor über vierzig Stunden immer wieder. Die Finger waren lang und dünn, knochig fast. Savoire verabscheute diese Berührungen, schwieg jedoch. Wahrscheinlich dachte sie, dieser körperliche Kontakt helfe ihm, sie wahrzunehmen. Lächerlich.
„Ich kann die Spielchen auch lassen", sagte die Kosmopsychologin. „Sie dienten ohnehin nur dazu, dich aus der Reserve zu locken. Aber ebenso gut könnte ich versuchen, in einer Positronik Gefühle zu wecken. Du magst deine Zeit zwar mit Maschinen verbringen, Laurence, aber du bist selbst keine, vergiss das nicht!"
„Wohlfeil formuliert", spottete der Erste Kybernetiker. „Aber alle verbale Kunst wird nichts nutzen. Weder dir noch mir. Soll ich dir die eigentliche Wurzel des Problems nennen? Es geht nicht um meine Seele oder Psyche oder wie immer du es nennst! Hier liegt das Problem!" Die letzten Worte schrie er und stieß mit Daumen und Zeigefinger gegen sein Auge.
Sein nutzloses, verfluchtes Auge.
Die Mediker hatten hundert Untersuchungen durchgeführt, ohne eine Ursache festzustellen. Alles schien völlig normal zu sein, von der schlichten Tatsache abgesehen, dass Savoire erblindet war.
„Ich kann nichts sehen, das ist alles.
Ein Grund dafür existiert offenbar nicht."
Es mussten nun etwa fünfzig Stunden vergangen sein, seit er in seiner Kabine erwacht war. Die schlimmste Zeit seines Lebens, nur vergleichbar damit, als er in Terrania City die Todeslisten entdeckt hatte, den Beweis dafür, dass all die Menschen starben, um in ESCHER aufzugehen und die Entwicklung der Parapositronik zu fördern.
Wie unwissend war er damals gewesen. Heute fragte er sich manches Mal, ob sie nicht den besten aller möglichen Wege gewählt hatten. Sie existierten in ESCHER und konnten dort ewig leben, Teil der höheren Wesenheit, die noch immer im Werden begriffen war. Ohne die Hinfälligkeiten eines biologischen Körpers, integriert in die Hyperdim-Matrix, das eigentliche Herz ESCHERS.
Aber er, Savoire? Wer war er denn noch? Ein Blinder, der nicht mal sah, was er pflegen und für das er sorgen sollte.
Ein Nichts, verloren und jämmerlich.
Wie gut wäre es, wenn er tot wäre.
„Was denkst du?" Noch immer lag die Hand der Kosmospsychologin auf seinem Arm. Scheinbar völlig abrupt wechselte sie das Thema. „Hast du dich nie gefragt, wie ich aussehe? Bis vor drei Tagen hast du jeden, mit dem du gesprochen hast, sofort anhand seiner Gestalt und Mimik einschätzen und dir ein Urteil bilden können."
„Ach, wirklich?" Savoire packte die Hand auf seinem Arm und quetschte die Finger. Die Knöchel sprangen übereinander, und war da nicht ein dicker, metallener Ring? „Darauf wäre ich nie gekommen. Wie gut, dass ich professionelle Hilfe gefunden habe."
Harrt entzog ihm die Hand und stöhnte leise. Sie wies ihn allerdings nicht zurecht. „Ich habe mich kundig gemacht über deinen ... Zustand."
„Das will ich nicht hören."
„Was sonst, Laurence?"
„Es geht mir auf die Nerven, dass du bei jeder Gelegenheit meinen Vornamen nennst. Ehe wir mit diesen Sitzungen angefangen haben, hast du dich schließlich auch nicht um mich gekümmert. Hast vielleicht nicht einmal gewusst, dass ich mich an Bord befinde."
„Natürlich wusste ich es. Glaubst du im Ernst, auch nur irgendjemand an Bord wüsste nicht von ESCHER und seinem Ersten Kybernetiker, dem Zyklopen?"
Zyklop. Wieder so eine Spitzfindigkeit. Sie konnte es offenbar nicht lassen. „Sehr witzig", sagte er. „Zumindest in meinem Auge. Haha, haben wir jetzt genug über mein Auge gesprochen?"
„Ich habe dich nie zuvor gesehen", fuhr Fria Harrt ungerührt fort. „Ich dachte, dein eines Auge trägst du auf der Stirn, eben wie bei einem Zyklopen aus der terranischen Sage. Aber die Realität sieht anders aus."
In ihm stieg
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