2443 - Eschers Plan
Die Datenknoten separieren sich in solchen Momenten, tauschen gedankenschnell Signale aus. Dieses Gespräch währt nur für die Dauer einer Millisekunde. „Und wenn ich Vorfreude empfinde, geht es ESCHER zu einem Teil genauso."
„ESCHER ist wir alle und mehr als das."
Die Präsenz der Prozessoren gliedert sich wieder in die Matrix ein. Die Lichtknoten verfliegen in der ewig hellen Ebene, die Schattengebilde ihrer Knotenpunkte tauchen wieder in die Tiefe.
Pal Astuin und Merlin Myhr trudeln in ihrer menschlichen Gestalt quälend langsam um sich selbst, verknüpft mit ESCHER, mit dem Kollektiv, mit dem gigantischen Rechner, der noch immer auf dem Weg der Entstehung ist, ein Ding, eine Kreatur zwischen Positronik und höherer Wesenheit.
Der letzte individuelle Gedanke verwandelt sich in einen Impuls, der rasend schnell zu den anderen Prozessoren und zum Kollektiv wandert: „Eine Entscheidung steht bevor."
2.
Von Chaos und Ordnung
Dr. Indicas Fingernägel klickten auf der metallischen Applikation, die auf dem schwarzen Stoff ihres eng anliegenden Dress über dem rechten Oberschenkel verlief. „Es macht mich immer noch nervös."
Ich musste nicht nachfragen, sondern wusste sofort, worauf sie anspielte.
Schließlich erging es mir nicht anders.
Das Vibra-Psi war selbst im Winola-System, Lichtjahre von seinem Entstehungsort entfernt, in jeder einzelnen Sekunde zu spüren. Jenes wesenlose Vibrieren, das enervierende innere Unruhe auslöste, ging von der neu entstandenen Chaotischen Zelle Shiva-Bazal aus. Mit Grauen dachte ich daran zurück, wie wir die Vereinigung der Proto-Chaotischen Zellen beobachtet hatten. Ein Vorgang, als derart falsch empfunden, dass der Verstand davor kapitulieren wollte.
Ich versuchte, Indica aufzumuntern.
„Du bist nervös? Vielleicht, weil wir heute noch ins Ackut-System aufbrechen?
Hast du Angst vor dem, was uns dort erwartet?"
Indica lächelte kaum merklich, doch mir entging das leichte Zucken der Mundwinkel nicht. „Atlan, du magst die Massagetechniken 4000 Jahre alter Samurai perfekt beherrschen ...", sie gab einen wohligen Laut von sich, „... doch als Humorist versagst du kläglich."
„Es gäbe da sicher die eine oder andere Methode, dich aufzuheitern. Habe ich dir je erzählt, dass mich dein Geruch an die Palisa-Nüsse meiner Heimat erinnert, die ich mir als Kind in die Nase ge..."
„Hast du."
Dr. Indica sah hinreißend aus – was durch die leichten Schatten der Übernächtigung unter ihren Augen verstärkt wurde. „Zurück zur Sache – Mondra Diamonds Karte der Negasphäre. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. Das Ergebnis bleibt dasselbe. Es gibt keine weiteren Informationen, ich kann der Karte der Negasphäre nichts mehr entlocken."
Sie hatte auf meine Bitte hin den gesamten letzten Tag damit verbracht, alle denkbaren Daten miteinander in Beziehung zu setzen und zu versuchen, eine Verbindung zu der Karte zu setzen ... und dabei natürlich speziell unser nächstes Ziel, das Ackut-System, im Auge zu behalten. Als Nexialistin war sie eine wissenschaftlich geschulte Spezialistin ohne feste Einbindung in die Bordroutine; ihre Aufgabe bestand darin, zwischen den verschiedenen Wissenszweigen zu vermitteln und den Überblick über das „große Ganze" zu behalten. Deshalb war sie mir für diese Aufgabe ideal erschienen.
„Das Ackut-System befindet sich am Rand eines künftigen Aktionsgebietes der Terminalen Kolonne. Genau wie Shiva-Bazal, wo es zur Katastrophe gekommen ist, ohne dass wir auch nur das Geringste daran ändern konnten."
Das hieß nichts anderes, als dass sich auch das Ackut-System und sein Umfeld früher oder später in eine Chaotische Zelle verwandeln würden. Wann es so weit war oder wie groß die Zelle am Ende sein würde, konnte nicht einmal ESCHER vorherberechnen – es fehlten ausreichende Basisdaten.
Der Gedanke an die Parapositronik war nicht gerade dazu angetan, mich zu entspannen. Seit Dr. Savoires rätselhaftem Erblinden fragte ich mich mehr denn je, ob der Erste Kybernetiker die Kontrolle über ESCHER tatsächlich wahren konnte. Ich hatte ihm bislang nur kurz mein Mitgefühl ausgesprochen und ihn den Medikern und unserer fähigsten Kosmopsychologin an Bord überlassen. Er brauchte Betreuung, denn er war für die Mission unverzichtbar.
Wir hatten die Hoffnung, im Ackut-System auf die SOL zu treffen. Zumindest ließ eine Nachricht darauf schließen, die als Absender Ronald Tekener aufwies und die wir mit großer
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