246 - Am Ende aller Zeit
nicht lebenswert gewesen? Hatte Columbu sich auch seinetwegen umgebracht? War er mitschuldig, weil er den Corporal unbedingt in seiner Einheit haben wollte? Er war es gewesen, der bei Mr. Black dafür gesorgt hatte, dass Columbu mit ihm kam. Er war der Grund, warum Columbu in diese Situation geraten war. Hatte Columbu das gewusst und sich voll Hass auf den ehemaligen Freund selbst gerichtet?
Ich werde es nie erfahren. Und ich will es nicht glauben. Hackers Augen brannten. Nein, das werde ich mir nicht antun. Es ist schlimm genug, dass David die Situation nicht ertragen konnte. Aber ich habe das nicht gewollt. Nie im Leben habe ich David Böses gewünscht… Niemand konnte mit dem rechnen, was uns widerfuhr…
Würde er sich auch umbringen, wenn er jegliche Hoffnung auf Rettung verlieren sollte? Hacker schüttelte den Kopf. Columbu war schon lange depressiv gewesen. Er war das nicht.
»Bis zuletzt«, murmelte er vor sich hin. »Ich kämpfe bis zuletzt.« Er schloss die Augen und sank in einem dunkeln Gang in einem verlassenen Teil der Anlage an der Wand hinunter. Zorn und Trauer wüteten in ihm. Zorn, weil David Columbu so schnell aufgegeben hatte, Trauer, weil er nun den einzigen Menschen verloren hatte, der ihm hier, am Ende aller Zeit, etwas bedeutet hatte.
Das tote Gesicht des Freundes brannte in seiner Erinnerung. Es raubte ihm jede Kraft. Verzweifelt verbarg er sein Gesicht zwischen den Händen. Tränen liefen über seine Wangen und tropften auf den Stoff der Uniformärmel.
Er war zwei Tage lang in diesem Gang. Sergeant Till brachte ihm Essen und Wasser, doch Hacker rührte nichts davon an. Columbu war tot. Und mit ihm starb Collyn Hackers Hoffnung auf Rettung.
***
Fünf Tage später
»Ist das nich zu gefährlich?« Die blond gelockte Gordie beobachtete das geflügelte Tier in dem gläsernen Käfig. Es flatterte wild mit seinen durchscheinenden Flügeln und stieß mit dem Kopf immer wieder gegen das Glas. Es dauerte einige Sekunden, bis es sich ermattet auf den Boden seines Gefängnisses setzte. Gordie betrachtete fasziniert den schuppigen Eidechsen-Körper, der größer war als ihre Faust. »Ich meine…« Sie drehte sich nicht zu Laurenzo um. »Du hast gesagt, du willst die unterirdische Anlage so sauber wie möglich halten, und dann lässt du die Warlynnes ’nen verdammten Zoo anschleppen?« Sie wies auf die zahlreichen Glaskästen und Käfige, in denen sich sonderbar verknäulte Würmer, zwölfbeinige blaue Insekten und andere Absurditäten befanden.
Laurenzo sah vom Sezieren eines winzigen lurchähnlichen Tieres auf. »Bisher habe ich nichts entdeckt, was uns in Gefahr bringen könnte. Außerdem halten wir die Tiere nur hier im Labor und im Nebenraum. So weit ich das mithilfe der Warlynne-Analysen beurteilen kann, sind die meisten Tiere harmlos. Einige könnten sich durchaus für die Nahrungsaufnahme eignen.«
Gordie kicherte. »Nahrungsaufnahme. Du sprichst so ganz anders als die Leute, die ich kenne…«
Er lächelte. »Aber du magst es.«
Gordie nickte und wandte sich wieder der Libellenechse zu. »Das Tier sieht ziemlich fertig aus. Ist zu oft gegen die Scheibe geflogen. Wenn’s ungefährlich ist, können wir’s dann nich freilassen? Es hat so hübsche Kristallflügel. Ich mag es.«
»Ich brauche die Libellenechse noch.«
»Du hast noch zwei andere. Ehrlich, das Vieh ist das Hübscheste von allen. Fast wie ’ne Lischette.« Gordie verstummte. Sie wollte nicht daran denken, dass sie nie wieder eine Lischette sehen würde. Sie war an diesem sonderbaren Ort gefangen und es gab kein Zurück. Aber wenigstens hatte sie einen neuen Verbündeten und Freund gewonnen.
Laurenzo sah erneut auf. »Meinetwegen lass das Tier frei. Aber beschwer dich nicht, wenn es dir zum Dank in die Hand beißt. Seine Zähne sind ziemlich spitz.«
»Ich könnt’s nach draußen bringen.« Gordies Augen strahlten. Seit drei Tagen war das große Schott nicht mehr nur ein Ein- und Ausgang für die Warlynnes. Einige Bürger hatten in der Anlage Platzangst bekommen und man hatte sich darauf geeinigt, dass die Menschen unter dem Schutz der Warlynnes ins Freie hinaus durften. Auch Gordie hatte vor zwei Tagen die Gelegenheit genutzt, sich draußen umzusehen. Dabei hörte sie von den Gerüchten unter den Anhängern der Rev’rends, Erzbischof Rage plane etwas Besonderes. Sie war bisher nicht dazu gekommen, ihre Freundin Stardust danach zu fragen. Seit einiger Zeit lebte sie bei Laurenzo und teilte jede freie Minute mit dem
Weitere Kostenlose Bücher