2461 - Der unendliche Raum
sie von der „anderen Seite", jener Halbkugelblase, in der sie herausgekommen waren, als „Boden" gesehen hatten.
Atlan hatte noch immer kein „klares Bild". Vor allem das war es, was ihm das Gefühl gab, zu „schwimmen".
Nicht nur die Mom’Serimer brauchten einen klaren Weg, ihren Fixpunkt.
Der einzige derartige Punkt war diese endlose Wand, aus der sie gekommen waren – und von der sie sich immer weiter entfernten. Atlan wusste, dass sie einen Kilometer dick war und die Außen- von der Innensphäre der Station trennte.
„Wie oft hast du das schon erlebt, dass du ... so verloren warst?" fragte Unamato.
„Ich meine, wir sind es doch nicht wirklich, oder? Du weißt doch genau, wie es weitergeht. Du hast deinen Plan, auch wenn ich ihn nicht verstehe, oder? Ich meine ..."
„Mach dir keine Sorgen, mein Freund", erwiderte Atlan und tadelte sich ob der Lüge. „Wir sind auf sicherem Weg."
Der Mom’Serimer fragte nicht mehr, wohin, warum und wozu. Er war ihm in diesem Moment dankbar dafür und wusste, dass sie über kurz oder lang den Verstand verlieren würden, wenn sie nicht bald etwas fanden, an das sie sich neu klammern konnten. Sie drifteten in ein Niemandsland hinein, von dem sie nicht wussten, wo es enden und wie es dann weitergehen würde.
Sie waren hier, um dieses „unendliche Land" zu erobern ... oder zumindest zu kontrollieren und für ihre Zwecke zu nutzen.
„Da", sagte der Mom’Serimer. Er hörte es kaum. „Da, Atlan! Siehst du das? Was ist das? Es ... lebt!"
Er konzentrierte sich, folgte dem ausgestreckten Arm seines Begleiters ... und vergaß augenblicklich alle Zweifel und Bedenken.
*
Es war ein zweieinhalb Meter großer, wabernder Nebel, der sich wie fließend von einem Segment zum anderen bewegte, genau in ihrer Flugrichtung.
Atlans erster Gedanke war: Kolonnen-Motivatoren!
Es wäre nicht unerwartet gekommen.
Schon bei der Eroberung der LOOKOUT hatten sie zwei dieser exotischen Wesen an Bord vorgefunden – jene beiden Gegner, die Leutnant Unamato getötet hatte.
Es war ihm nichts anderes übrig geblieben. Die beiden Motivatoren hatten sie zu lähmen versucht, damit sie sie nicht daran hinderten, das Schiff wieder funktionsfähig zu schalten.
Leutnant Mirk Unamato hatte sich und seine Sperre überwunden, auf andere Wesen zu schießen, und den Weg frei gemacht zur Eroberung des Scout-Schiffs.
Aber es waren keine Kolonnen-Motivatoren gewesen, jedenfalls keine solchen, wie man sie bisher kannte ...
Sie hatten nicht von innen heraus glutrot geleuchtet, sondern unverkennbar orangefarben, fast golden, und viel heller.
Sie waren wabernde, zer- und ineinanderfließende Nebelgebilde gewesen wie dieses hier. Und größer als die bekannten Gegner ...
Aber die düstere, zwanghafthypnotische Ausstrahlung war da!
„Muss ich wieder schießen, Atlan?" Er hörte es kaum, versuchte in dem Wabern und Fließen eine Struktur zu erkennen.
„Muss ich wieder ... töten?"
Der Nebel kam näher, und mit schrumpfender Distanz potenzierte sich seine suggestive Aura. Atlan spürte eine starke Ausstrahlung, fast so, als habe er einen Mächtigen vor sich. Wie eine unsichtbare Wolke umgab sie den Fremden, aber sie fixierte sich nicht auf sie.
Es war kein Angriff!
„Atlan, gib mir doch Antwort. Muss ich wieder töten?"
„Nein, Unamato", hörte der Arkonide sich sagen, während er versuchte, ihre Chancen abzuschätzen, an dem Nebel vorbeizukommen.
Was für ein Wesen war das? Sicherlich kein Motivator – vielleicht eine „höhere Form" dieser Wesen?
Oder hatten sie einfach nur einen Bewohner dieser Welt vor sich, des unendlichen Raums? Waren dies die Wesen, die hier existieren konnten? Die die Sinne besaßen, sich hier zu orientieren?
In AKAZU-8 ... oder auch in AKAZU selbst?
„Ich könnte es nicht, Atlan. Nicht noch einmal."
„Du musst es nicht, mein Freund." Dem Arkoniden war klar, dass sein Begleiter Höllenqualen litt. Wahrscheinlich wurden seine schlimmsten Minuten jetzt noch einmal wach, ausgelöst durch den Anblick des Fremden. Es war Unamatos ganz persönliches Trauma. Als er die Motivatoren erschoss, war er betäubt gewesen – oder aufgeputscht von den Pfefferminzbonbons, die er zu sich genommen hatte.
Nun aber half ihm keine solche mentale Krücke. Er war allein mit seiner Erinnerung.
„Du wirst nicht mehr töten müssen", wiederholte der Arkonide. „Reiß dich zusammen, Leutnant Unamato!"
Der Nebel ... floss zur Seite. Er verströmte sich in eine Richtung, die
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