2491 - Der dritte Messenger
Längliche Platten, durch einen Beckenschutz miteinander verbunden. Dazu gefertigt, von Generalin Kamuko getragen zu werden, der Kriegsherrin der Superintelligenz ARCHETIM, damit sie seine Truppen in die Schlacht gegen die Negasphäre führte.
Sah den Brustpanzer, diese leicht konvex gebogene Schale, auf deren Oberfläche ein hauchdünnes Relief den Umriss eines humanoiden Kopfes mit zwölf Augen zeigte. Gefertigt für die Aeganerin Kamuko, für sie, nur für sie.
Er sah den Vektor-Helm. In Kantirans Kopf wurde er soeben zum ersten Mal in sich gefaltet und in sein Etui gelegt, das an Kamukos Gürtel hing und darauf wartete, endlich eingesetzt zu werden. Nur sie konnte ihn tragen, denn sie war ...
Nein.
Nicht nur sie.
Kantiran riss die Augen auf. Verlangen umspülte ihn, doch es war nicht sein eigenes. Er wankte auf die Gründermutter zu. Nicht nur sie konnte den Helm und die Rüstung tragen. Womöglich gab es noch andere Auserwählte oder auch nur einen einzigen, der dazu bestimmt war.
Langsam streckte er die Hand aus. Der Puls hämmerte in seiner Halsschlagader.
Ich bin dazu gemacht, dachte er.
»Ich bin dazu gemacht«, flüsterte er.
»Kantiran!« Es war Cosmuels Stimme. »Was ist mit dir?«
Die fremden Bilder fielen von ihm ab, doch nicht das instinktive, überwältigende Verlangen, das zu tun, was getan werden musste. Wofür er bestimmt war. Er - Kantiran. Oder er - der Vektor Helm? Die Nachtlicht-Rüstung?
Er schlug die Hände vor die Augen.
Und konnte doch Kamuko sehen. Mit dem Erlöschen des Vibra-Psi war viel Druck von ihr abgefallen, doch mit dem geheimnisvollen Phänomen war auch er zurückgekehrt. Die Aeganerin befand sich in einem Schockzustand. Wahrscheinlich waren es die vollkommen wirkungslosen Angriffe auf GLOIN TRAITOR, die Kamuko endgültig zermürbten, ihr jedes Quäntchen noch verbliebener eigener Kraft raubten.
Dies war das Ende.
Es war vorbei.
Jede weitere Attacke war ein Hohn, eine Farce, geboren aus trotziger Verzweiflung.
Er verstand besser als je zuvor, welche immense psychische Kraft Kamuko permanent aufbringen musste, um gegen das Drängen der Rüstung anzugehen. Denn er fühlte es selbst, wie es in ihm tobte, an seiner Seele und seinem Verstand zerrte.
Kantiran schrie.
Kamuko schrie.
Beide krümmten sich zusammen, als wollten sie sich gegen etwas wehren, was gar nicht vorhanden war und doch ihren Geist auffraß.
Er richtete sich auf. Drei Meter trennten ihn von Kamuko. Von dem Helm. Von der Nachtlicht-Rüstung.
Die Aeganerin löste das Etui vom Gürtel.
Kantiran hörte Cosmuels Stimme, doch er verstand nicht die Worte, die sie sagte. Was sie auch sagte, es war ohne jede Relevanz. Genauso wie Cosmuel selbst. Wie Kantiran. Wie Kamuko.
Nur eines zählte: das Instrument, das die Ordnungsmächte geschaffen hatten, damit es im Kampf gegen Negasphären eingesetzt wurde.
Vor Kantirans Augen drehte Kamuko das Etui in ihren Händen, wieder und wieder, einen ewigen zeitlosen Moment lang. Dann öffnete sie es, zog ein blaugraues, kleines Paket heraus und übte auf dessen Seiten leichten Druck aus. Exakt jenen Druck, der nötig war, um den Vektor-Helm zu entfalten.
Kantirans Hände zitterten. Die Muskulatur seiner Arme bebte. Er hörte sich schreien, noch immer oder immer noch oder immer ... noch ... Das fremde, impulsive Verlangen fiel von ihm ab. Seine Beine verloren jegliche Kraft. Er schlug auf dem Boden auf, fühlte kurzen, heftigen Schmerz am Hinterkopf. Die instinkttelepathische Verbindung - oder was immer das gerade gewesen ist, dachte er - brach ab. Die Nachtlicht-Rüstung war zufrieden.
Kamuko hielt den Helm in den Händen. Aus seiner oberen Rundung ragte eine kleine Erhebung. Die Gründermutter stülpte ihn über den Schädel.
Die Gründermutter?
Nein, dachte Kantiran. Mit dieser Bewegung war sie nicht mehr die Gründermutter. Sie war die Prinzipa, die in den Kampf zog.
Generalin Kamuko.
*
Kantiran fühlte Cosmuels Hände. Als er sich in die Höhe stemmte, stützte sie ihn. In ihrem Gesicht stand die Frage geschrieben, was soeben geschehen war, doch sie sprach sie nicht aus. Es blieb keine Zeit dazu.
Er fühlte sich unendlich erleichtert, dass die Verbindung nicht mehr bestand, welcher Natur auch immer sie gewesen sein mochte. Seine Psi-Begabung hatte sich erstmals nicht als aktive, nützliche Kraft erwiesen, sondern auch als Einfalltor in seinen Geist. Er konnte nicht unbedingt behaupten, dass ihm dies be-hagte ...
Generalin Kamuko trug die
Weitere Kostenlose Bücher