2491 - Der dritte Messenger
deine Schmerzen unter Kontrolle zu halten.«
Willenlos ließ sie es über sich ergehen, während sich der Wörrianer wieder vom Boden aufrappelte. Er sah nicht wütend aus, erging sich nicht in Vorwürfen, sondern blickte sie nur voller Mitleid an. »Jeder hat seine Opfer zu bringen«, sagte er.
Da erst fiel ihr auf, wie er vorhin den Medoroboter genannt hatte.
Grind.
Das war der Name, den sie selbst der Maschine verliehen hatte. Er konnte ihn unmöglich kennen.
Ihre Hände krampften sich um die Armlehnen des Pilotensessels.
*
Der Friedensfahrer wandte sich Nar-Yan-N'ik zu und sprach mit ihr.
Ca-Her-L'ron konnte nicht verstehen, worüber die beiden redeten. Es interessierte sie auch nicht. Momentan zählte nur eins - sie musste herausfinden, was sich auf der JOHSAB abspielte.
Verzerrte sich die Wirklichkeit? Spielten die Realitäten verrückt? War dies eine Auswirkung der Veränderungen, die der dritte Messenger in diesem Bereich des Kosmos bewirkte? Beeinflusste das Toben des Hyperraums Raum und Zeit in der OREON-Kapsel?
All das war zwar nicht hochgradig wahrscheinlich, aber zumindest nicht undenkbar. Sie hatte während ihrer Ausbildung von den verrücktesten Raum-Zeit-Phänomenen im Zusammenhang mit Hyperorkanen gehört. Und gerade hier, nahe dem riesigen Schwarzen Loch, im Kernbereich Hangays, bei Werten von bis zu 500 Meg, konnte es wohl eher zu Phänomenen kommen als sonst irgendwo. Vielleicht faltete sich der Raum, vielleicht bildete sich eine Hyperraumblase, die ...
Sie schob diese Gedanken beiseite.
Das war nicht die Antwort, nach der sie suchte, sondern lediglich eine billige Erklärung. Wenn es tatsächlich so wäre, könnte die JOHSAB nicht das einzige betreffende Schiff sein. Derartige Phänomene würden sich in dieser Umgebung nicht nur auf eine einzige OREON-Kapsel auswirken. Außerdem war die JOHSAB ständig in Bewegung, hatte genau dieselbe Angriffsformation geflogen wie Hunderte anderer Kapseln und Schiffe auch.
Es musste mit der JOHSAB selbst zusammenhängen oder - sie schaute auf die Nebel um den Kopf des Friedensfahrers - mit dem Wörrianer. Er sprach noch immer mit Nar-Yan-N'ik, wippte dabei auf dem Standbein, dessen Muskeln glänzend hervortraten.
Ca-Her-L'ron zuckte zusammen. Der Hinterkopf des Friedensfahrers! Eben verzogen sich für einen Augenblick die ständigen Schwaden und gaben den Blick frei auf eine klaffende Wunde. Doch es kam kein Blut.
»Was hast du, Ca-Her-L'ron?«, fragte der Wörrianer.
Sie schloss ruckartig den Mund. Die Bewegung schmerzte, weil sich die kaum verheilte Haut in ihrem Gesicht spannte. Nun durfte ihr kein falsches Wort herausrutschen!
»Was soll sein?«, fragte sie beiläufig. »Du hast mir gerade keine besonders gute Botschaft gebracht und mir schonungslos die Realität vor Augen gehalten. Ich muss mich damit abfinden, dass du wohl recht hast. Das ist nicht gerade leicht.«
»Ich dachte ...«, begann er, brach aber ab.
»Woran dachtest du?« Er wandte sich ihr endgültig zu. »Nichts.«
Die Nebel umwölkten sein Gesicht. Waren sie nicht dichter als je zuvor? Versuchte er etwa, seine Verletzung vor ihr zu verbergen?
Das war der Augenblick, in dem ihr klar wurde, dass ihr eine größere Gefahr drohte als nur durch GLOIN TRAITOR und die Hyperstürme.
Warum meldete sich Patron Kantiran nicht? Die erste Angriffswelle war doch längst vorüber, alle Einheiten standen bereit. Warum erteilte er keine neuen
Befehle?
Was ging hier vor?
7.
Kantiran: Graublau
Was ging hier vor? Die ungebändigten, instinktiven Impulse überwältigten Kantiran schier, explodierten in seinem Kopf und wollten ihn auf einer Woge mit sich reißen.
Die Rüstung!
Dies waren die Empfindungen und das Verlangen der Nachtlicht-Rüstung!
Seine Psi-Gabe der Instinkttelepathie war diesmal von außen angesprochen worden, nicht durch ihn aktiviert. Auf irgendeine Weise sprach das Machtinstrument der Kosmokraten ihn an, obwohl er keinen Teil davon angelegt hatte. In seinem Verstand wirbelte dieser Druck, es endlich zu tun! Sich nicht mehr länger zu sperren!
Kantiran zitterte. Seine Hände verkrampften sich, fuhren zu seiner Hüfte und tasteten nach einem Etui, das sich dort nicht befand und nie befunden hatte.
Er ächzte. »Kamuko!«
Das Wort drang kaum verständlich zwischen seinen zitternden Lippen hervor.
Er schloss die Augen und sah.
Sah ein graublau schimmerndes Etwas, das in einer unbegreiflichen Umgebung geschmiedet wurde.
Sah die Beinschienen.
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