25 - Ardistan und Dschinnistan II
heranzukommen. Sein Gesicht hatte das Aussehen einer unbeweglichen Larve; aber seine Augen glühten. Das war wohl vor Zorn darüber, daß wir uns nicht hatten verleiten lassen, uns von unserer Truppe weiter zu entfernen. Er blieb stehen; er setzte sich nicht; also folgten wir diesem Beispiele. Ich musterte ihn und die beiden andern, ob sie vielleicht eine versteckte Waffe bei sich trügen, konnte aber nichts entdecken, was diese Vermutung bestätigte. Doch fiel mir auf, wie die drei sich stellten und bewegten. Sie vermieden es nämlich ganz auffällig, uns mit ihren Gestalten nach der Insel hin zu decken. Und dies zu prüfen, veränderte ich während der Unterredung, so kurz diese war, meine Stellung mehrere Male, aber immer veränderten sie hierauf nun auch die ihrige sofort und derart mit, daß ich die gesuchte Deckung wieder verlor. Man hatte also vor, von der Insel aus auf uns zu schießen, und darum nahm ich diese scharf in die Augen, obgleich ich es war, der mit dem ‚Panther‘ sprechen sollte; der Schech und der Mir wollten schweigen.
„Was wollt ihr?“ zischte er uns an, sobald er uns erreichte.
Ich antwortete:
„Dich fragen, ob –“
„Mich fragen?“ unterbrach er mich. „Hier habe nur ich allein zu fragen, nicht ihr! Am allerwenigsten aber du! Also: Was wollt ihr hier? Was habt ihr hier zu suchen? Was schaust du mich wegen dieser Frage an? Wenn du sie nicht beantworten kannst, werde ich es an deiner Stelle tun! Euer Geschick hat sich erfüllt. Es treibt euch in meine Hände. Du stehst am Tod; du hast ihn reichlich verdient. Der Mir ebenso! Und der Schech el Beled wird mein Gefangener. Ich zwinge ihn abzudanken und mich an seine Stelle zu setzen. Er wird gezwungen, dies zu befehlen, um sein Leben zu retten, und sein Volk wird ihm gehorchen.“
War dies Wahnsinn? War dies ein soeben schnell überlegter Plan? Oder war es beides? In seinen Augen flackerte ein unruhiges, starkwilliges, außerordentlich gefährliches Licht. Er fuhr allen Ernstes fort:
„Ich frage euch: Wollt ihr euch freiwillig ergeben oder nicht?“
„Wir uns euch? Oder ihr euch uns?“ fragte ich dagegen.
„Wir uns euch?“ donnerte er mich an. „Bist du verrückt geworden? Meinst du, daß wir uns vor euch fürchten? Oder vor diesem nackten Felsen? Oder vor den Menschen, die rundum da oben stehen, als ob sie uns zurückweisen könnten? Ich sage dir, ihr befindet euch in meiner Gewalt. Eure Berechnung, daß ich verdursten werde, war falsch, denn hier in dieser Zisterne gibt es mehr Wasser, als ich brauche. Und das Volk, welches jetzt so stolz auf mich niederblickt, wird mir schon morgen zujubeln, mir, seinem Herrscher und Gebieter!“
Er sprach mit der Überzeugung eines Mannes, der felsenfest an seine Halluzinationen glaubt. War das eine Folge der Schreckensnacht am Dschebel Allah? Oder war es überhaupt eine psychologische Folgerichtigkeit, daß der Wahngedanke seines ganzen Lebens, ein großer Herrscher zu werden, unter den gegenwärtigen Verhältnissen zum ‚Überschnappen‘ kommen mußte?
„Du irrst“, antwortete ich. „Du wirst allerdings nicht aus Mangel an Wasser sterben, sondern am Gegenteil, am Überfluß. Du wirst ertrinken!“
„Wo? Wann?“ fragte er.
„Jetzt! Hier! Der Fluß wird kommen und wird steigen. Und das Wasser in der Zisterne wird steigen. Beides wird die Insel überströmen und sie mit sich fortschwemmen!“
„Überströmen? Fortschwemmen?“ rief er mit einem unbeschreiblich häßlichen und abstoßenden Lachen aus.
„Willst du mich etwa dadurch zu der Dummheit verlocken, mich euch auszuliefern? Ich sage dir: Lieber tausendmal in den Tod, und lieber millionenmal die ärgsten Qualen erdulden, als mich in eure Hände zu geben! Ich fürchte nie den Tod; ich fürchte ihn auch jetzt nicht, sondern ich lache über ihn. Euch aber wird er – jetzt, jetzt, jetzt!“
„Nein, uns wird er nicht!“ antwortete ich. „Dich aber wird er fassen, genauso, wie ich dich jetzt fasse!“
Da ich scharf aufpaßte, so sah ich, daß mehrere seiner Leute hinter schützende Baumstämme getreten waren und, als er ihnen durch den Ausruf: „Jetzt, jetzt, jetzt“ das Zeichen dazu gab, ihre Gewehre auf uns anlegten, um auf uns zu schießen. Ich griff schnell zu, faßte ihn, zog ihn an mich heran, drückte ihn so an mich, daß er sich nicht bewegen konnte, und forderte den Mir und den Schech el Beled auf:
„Tretet schnell hinter mich! Da seid ihr gedeckt!“
„Gedeckt?“ fragte der Schech. „Mich decken?
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