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261 - Ein falscher Engel

261 - Ein falscher Engel

Titel: 261 - Ein falscher Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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wird leicht werden, dich zu verkaufen. Vielleicht wirst du es gut haben, wo immer du hinkommst.« Dann, leiser, fügte sie hinzu: »Ich würde es dir wünschen, kleine Fee.«
    Ninian sah die Frau an. Sie konnte sich nicht erinnern, dass ihr in den letzten drei Jahren irgendjemand je etwas Gutes gewünscht hatte.
    »Was für große unschuldige Augen du hast.« Ihre Stimme war nur noch ein Hauch und Ninian musste genau hinhören, um die Worte zu verstehen. Verwundert sah sie die Tränen in den Augen der Alten. Plötzlich griff die Frau in ihre Tasche und zog ein zusammengerolltes Stück Papier heraus. »Sieh her, Kind.«
    Und Ninian schaute. Das Bild zeigte einen Mann mit langen weißen Haaren und roten Augen. Er hielt ein mächtiges, flammenumkränztes Schwert. [4]
    Ninian war fasziniert. Niemals zuvor hatte sie einen Menschen mit roten Augen gesehen! Doch so ungewöhnlich das Bild auch war, Ninian empfand keinerlei Schrecken bei seinem Anblick. Denn die roten Augen sahen nicht böse aus, sondern blickten sie auffordernd an. Ja, Ninian hatte tatsächlich das Gefühl, sie würden tief in ihre kleine geschundene Seele blicken.
    »Das ist ein Aynjel, Kind«, sagte die Frau. »Sieh nur genau hin. Weißt du, Aynjel sind überall um uns herum. Sie beobachten uns. Dich auch, Kind. Sie passen auf dich auf.«
    Noch niemals in ihrem kurzen Leben hatte Ninian etwas so sehr besitzen wollen wie dieses Bild auf festem, leicht glänzenden Papier.
    »Eines Tages wirst auch du einem Aynjel gegenüberstehen«, fuhr die Frau fort. » Deinem Aynjel. Deshalb brauchst du keine Angst zu haben. Dein Aynjel wartet auf dich.«
    Wenn er wartete, hieß das wohl, dass sie ihn suchen musste. Ja, das da auf dem Bild, das war ihr eigener Aynjel. Sie fühlte es. Ninian streckte die Hand nach dem Bild aus.
    »Du willst es haben, ja? Es ist uralt, mein Kind. Es stammt aus der Zeit vor Kristofluu.« Die Frau nickte und reichte ihr das Bild. Das Mädchen drückte es überglücklich an ihren Körper, darauf bedacht, es ja nicht zu beschädigen.
    ***
    Hand in Hand schlenderten Rulfan und Myrial umher und küssten sich, als sie sich unbeobachtet glaubten. Sie erkundeten das Dorf, sprachen mit den Leuten und stiegen schließlich zur Deestyl empor.
    Als Myrial vor der riesigen Arfaar-Statue niederkniete und an dem mit gelben Chrysanthemen geschmückten Altar betete, krampfte sich sein Magen schmerzhaft zusammen.
    Was soll ich jetzt tun? Ihr gestehen, dass ich es war, der Arfaar getötet hat? Wird sie mich dann hassen? Oder es akzeptieren, wenn ich ihr die Umstände erkläre? Immerhin ist sie intelligent. Aber Intelligenz und religiöse Gefühle sind zwei verschiedene Paar Stiefel.
    Er entschloss sich, nichts zu sagen. Wenn es allerdings doch herauskäme, würde Myrial es als großen Vertrauensbruch empfinden, dessen war sich Rulfan bewusst.
    Unterhalb der Deestyl wurde das Paar an einem kleinen Häuschen von einem zehnköpfigen Wachtrupp in Mecgreger-Tarts freundlich aber bestimmt abgewiesen. Die Deestyl sei Sperrgebiet für Unbefugte. Als es dunkel wurde, begaben sich Myrial und Rulfan zum Gasthaus zurück, weil nun auch sie mächtiger Hunger plagte. »Schade«, flüsterte die junge Frau. »Ich hätte die ganze Nacht über so mit dir herumziehen können, Liebster.«
    Rulfan küsste sie. Gerade als sie am Parliament vorbei gingen, öffnete sich plötzlich der Haupteingang und einige Leute traten heraus. Rulfan und Myrial blieben neugierig stehen, so wie andere Passanten auch.
    Als Erstes fiel Rulfan der kleine dicke Mann im Mecgreger-Tart auf. Er trug einen Bont mit grüner Feder und war demnach Chieftain Wallis. Kanonenkugel Wallis , wie Rulfan ihn boshaft taufte. Dann blieb Rulfans Blick an dem weit über zwei Meter hohen, dürren Mann hängen, der so düster wie ein lebender Toter wirkte. Unwillkürlich suchten Rulfans Augen nach der Rothaarigen, die Scot erwähnt hatte. Tatsächlich, da kam sie heraus und sah sich um.
    Hübsch war sie, ohne jeden Zweifel, wenn sie auch in dieser Beziehung Myrial nicht das Wasser reichen konnte. Ihre kurzen roten Haare waren in der Mitte gescheitelt, sie hüllte sich fest in einen schwarzen Fellmantel. Über eine Distanz von etwa zwanzig Metern konnte Rulfan ihre angebliche Gefährlichkeit allerdings nicht erkennen.
    Er hatte das Gefühl, dass ihre Blicke ihn streiften. In diesem Moment blieb sie so abrupt stehen, als sei sie gegen eine Wand gelaufen. Die Frau erstarrte förmlich. Mit steigendem Unbehagen registrierte

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