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Fate.
»Müssen sie Eier aus Stahlbeton haben und außerdem ziemlich bescheuert sein.«
»Bestimmt ist das auf dem Mist irgendeines Polizeispitzels gewachsen«, sagte Fate.
»Egal, auf wessen Mist das gewachsen ist«, sagte der Ressortchef, »es ist ein Zeichen.«
»Ein Zeichen wofür«, sagte Fate.
»Dafür, dass wir auf einem Planeten von Spinnern leben«, sagte der Ressortchef.
Als sein Ressortchef anrief, erklärte ihm Fate, was in Santa Teresa los war. Er gab ihm eine Kurzfassung seiner Reportage. Er sprach von den Frauenmorden, von der Möglichkeit, dass alle von ein oder zwei Personen verübt worden sein könnten, in welchem Fall man den oder die größten Serienmörder aller Zeiten vor sich habe, sprach vom Drogenhandel und der Grenze, von der korrupten Polizei und dem ungebremsten Wachstum der Stadt, versicherte ihm, dass er nur eine Woche mehr brauche, um alles Nötige zu recherchieren, dann komme er nach New York, und in fünf Tagen sei die Reportage fix und fertig.
»Óscar«, sagte der Ressortchef, »du bist dort, um über einen gottverdammten Boxkampf zu berichten.«
»Das andere ist wichtiger«, sagte Fate. »Der Boxkampf ist eine Story, was ich dir anbiete, ist wesentlich mehr.«
»Was genau bietest du mir an?«
»Ein Bild der Industriegesellschaft in der Dritten Welt«, sagte Fate, »ein aide-mémoire der gegenwärtigen Situation Mexikos, ein Panorama der Grenze, eine Kriminalgeschichte allerersten Ranges, verdammt.«
»Ein aide-mémoire ?« sagte der Ressortchef. »Das ist Französisch, Nigger. Seit wann kannst du Französisch?«
»Ich kann kein Französisch«, sagte Fate, »aber ich weiß, was ein verdammtes aide-mémoire ist.«
»Ich weiß auch, was ein verficktes aide-mémoire ist«, sagte der Ressortchef, »ich weiß auch, was merci und au revoir und faire l'amour bedeutet. Das Gleiche wie coucher avec moi, erinnerst du dich an das Lied? Voulez-vous coucher avec moi, ce soir? Und ich glaube, Nigger, du willst coucher avec moi, aber ohne vorher voulez-vous zu sagen, was aber die Hauptsache ist. Hast du verstanden? Du musst voulez-vous sagen, und wenn du das nicht sagst, fick dich selbst.«
»Hier ist Material für eine große Reportage vorhanden«, sagte Fate.
»Wie viele unserer verfickten Brüder sind in die Sache verwickelt?«, sagte der Ressortchef.
»Wovon, zum Teufel, redest du?«, sagte Fate.
»Wie viele verdammte Nigger haben den Hals in der Schlinge?«, sagte der Ressortchef.
»Was weiß ich, ich rede von einer großen Reportage«, sagte Fate, »nicht von Ghettorandale.«
»Also steckt kein einziger verfickter Bruder in der Sache mit drin?«, sagte der Ressortchef.
»Kein einziger Bruder, aber mehr als zweihundert ermordete Mexikanerinnen, du Idiot«, sagte Fate.
»Wie stehen die Chancen für Count Pickett?«, sagte der Ressortchef.
»Count Pickett kannst du dir in deinen verdammten Niggerarsch stecken«, sagte Fate.
»Hast du seinen Gegner gesehen?«, sagte der Ressortchef.
»Count Pickett steck dir in dein schwules Kackloch«, sagte Fate, »und sag ihm, er soll gut drauf aufpassen, denn wenn ich zurückkomme, trete ich es dir zu Brei.«
»Tu du deine verdammte Pflicht und bescheiß nicht bei den Spesen, Nigger«, sagte der Ressortchef.
Fate legte auf.
Neben ihm stand eine Frau in Jeans und Wildlederjacke und lächelte. Sie trug eine schwarze Sonnenbrille und über der Schulter eine teure Tasche und einen Fotoapparat. Sie sah aus wie eine Touristin. »Sie interessieren sich für die Morde von Santa Teresa?«, sagte sie.
Fate sah sie an und brauchte eine Weile, bis er begriff, dass sie sein Telefongespräch mit angehört hatte.
»Ich heiße Guadalupe Roncal«, sagte die Frau und streckte ihm die Hand entgegen.
Er schüttelte sie. Es war eine zarte Hand.
»Ich bin Journalistin«, sagte Guadalupe Roncal, als Fate ihre Hand wieder losließ. »Aber ich bin nicht hier, um über den Boxkampf zu berichten. Diese Art Kampf interessiert mich nicht, obwohl ich weiß, dass es Frauen gibt, die Boxen sehr sexy finden. Um ehrlich zu sein, ich finde Boxen eher etwas vulgär und sinnlos. Finden Sie nicht? Oder schauen Sie gern zu, wie zwei Männer sich verprügeln?«
Fate zuckte mit den Schultern.
»Sie antworten nicht? Na ja, über ihre sportlichen Vorlieben steht mir kein Urteil zu. Eigentlich mag ich keine Art von Sport. Weder Boxen - aus den genannten Gründen -, noch Fußball oder Basketball, nicht einmal Leichtathletik. Sie werden sich fragen, was ich dann in einem
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