269 - Andronenreiter
und endlich schien auch die Königin ihre Bockigkeit aufgegeben zu haben. Vom Geschmack des Zuckers gelockt, zwängte sie sich durch den engen Zugangsschacht, hinter Gosy her.
Als die angehende Andronenkönigin aus dem rechteckigen Mineneingang ins Freie schlüpfte, fiel Gosy ein Stein vom Herzen. »Geschafft!« Der Conte würde sein Geschenk unversehrt erhalten.
Draußen war es inzwischen helllichter Tag. Dem Sonnenstand nach zu urteilen mochte Gosy den gesamten Vormittag unter Tage verbracht haben.
»So, meine Kleine, jetzt bekommst du, was du willst!« Gosy warf die Zuckerkristalle in die Schlundöffnung des Tieres, das wohlig zirpte. Gosy grinste. »Obwohl… Kleine trifft es nicht ganz.« Nun, da sich das Tier im Freien befand, konnte die Andronenreiterin erstmals seine Ausmaße begutachten. Es war sogar noch größer als ihre Reitandrone. »Du bist ein ganz schön fetter Brocken«, stellte sie fest. »Dabei bist du doch erst vor einer oder zwei Wochen geschlüpft…«
In Erwartung weiteren Zuckers folgte ihr die Ameise brav aus der Senke heraus. Gosy war zufrieden mit sich. Es war anstrengend gewesen, die Königin aus dem Bau herauszubekommen, aber es hatte sich definitiv gelohnt. Trotz der unerwarteten Größe entsprach sie doch genau dem, was Gosy sich vorgestellt und dem Conte versprochen hatte.
Bei einem der letzten Treffen in den Ställen Malandras hatte Gosy dem Grafen ihr Herz ausgeschüttet: dass sie aufgrund der strengen Regeln der Gilde niemals eine vollwertige Andronenreiterin werden konnte. Dass alle von ihr erwarteten, bald zu heiraten. Dass sie dieses Leben so satt hatte, in dem sich derzeit alles nur darum drehte, die notwendige Mitgift zu erwirtschaften, damit überhaupt ein Mann in Betracht zog, sie zu ehelichen.
Der Conte hatte sie an sich gedrückt und ihr ins Ohr geflüstert, das alles gut werden könne. Er hätte da eine Idee, mit der er sich schon lange trüge. Aus verheißungsvollen Augen hatte er Gosy angesehen, sodass ihr heiß und kalt zugleich geworden war.
»Ich weiß, wie wir beide glücklich werden können, Gioseppina.« Dabei hatte er ihre Hand genommen und in seiner gehalten. »Ich bin dir wohlgesonnen…«, hatte er schüchtern gesagt, und Gosys Herz hatte wie wild gepocht. »Ich bin bereit, dich an meine Seite zu nehmen. Und ich verspreche dir, deinen Traum wahr werden zu lassen und dich als Andronenreiterin an meinem Hof zu beschäftigen. Falls du es schaffst, mir ein besonderes Geschenk zu machen…«
»Alles, was Ihr wollt!«, hatte Gosy gehaucht. Sie konnte es kaum glauben. Hatte der Conte ihr etwa gerade einen Antrag gemacht? Ihr, der bürgerlichen, mittellosen kleinen Frau?
»Du als angehende Andronenreiterin kennst dich sicher aus«, sagte Malandra. »Woher bekommt ihr eure Tiere?«
»Wir fangen sie. Auf Saadina gibt es mehrere Nester mit Königinnen«, hatte Gosy bereitwillig Auskunft gegeben. »Sie legen die Eier und bilden damit die Basis eines jeden Volkes.«
»Dann weiß ich, was wir machen!« Malandra klatschte in die Hände. »Du bringst mir eine Königin! Ein Tier, das hier bei mir auf dem Festland seinen eigenen Staat bilden kann. Das wird dann meine eigene Andronenzucht.« Begeistert fasste er Gosy an die Schultern. »Und du mit deiner wertvollen Erfahrung im Umgang mit den Tieren wirst zum Oberhaupt einer eigenen Farm, hier in meiner Grafschaft. Na, was hältst du davon?«
Gosy war schwindelig geworden. Konnte es wirklich wahr sein? Meinte der Conte das ernst? Sie wäre eine Edeldame an der Seite des Grafen und gleichzeitig in einer verantwortungsvollen Position als Vertreterin ihrer Zunft, ohne den strengen und oft unsinnigen Regeln der Gilde unterworfen zu sein!
Sie überlegte einen Moment. »Die Zeit wäre günstig dafür«, meinte sie. »Die jungen Königinnen schlüpfen bald und werden von den Männchen befruchtet. Einige verlassen das Nest und fliegen zu einem anderen Platz, an dem sie mit der Bildung eines eigenen Staates beginnen. Wenn es mir gelingt, ein solches Tier zu fangen und zu Euch zu bringen, dann…«
»… sind wir im Geschäft«, schloss Malandra und umarmte sie.
Nun, das war vielleicht nicht das Romantischste, was er in dem Augenblick hatte sagen können, aber Gosy war immer noch überrumpelt von den Möglichkeiten, die sich hier auftaten. Einen adeligen und gutaussehenden Ehemann und eine eigene Andronenfarm - das war mehr, als sie sich je hatte erträumen können.
Und jetzt war dieser Traum zum Greifen nahe und die
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