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285 - Am Nabel der Welt

285 - Am Nabel der Welt

Titel: 285 - Am Nabel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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unsichtbaren Schnabel nach ihm picken.
    Sie rannten los.
    Aber sie blieben nicht unentdeckt.
    Das Krachen von Schüssen, das Geschrei und anderer Lärm blieben hinter ihnen zurück. Sie brachten immer mehr Abstand zwischen sich und das Lager. Und je weiter sie sich entfernten, desto mehr stieg die Hoffnung, es vielleicht tatsächlich zu schaffen. Tatsächlich dem Dunstkreis der Verblendeten entkommen und irgendwo ein neues Leben beginnen zu können. Nur Calora und er. Zwei Marsianer, die auf der Erde gestrandet waren und deren Kinder sich hier vielleicht eines Tages so frei und unbeschwert würden bewegen können wie die Menschen, die seit Jahrtausenden hier geboren wurden.
    Dies war immerhin die Ursprungswelt auch der marsgeborenen Menschen, und so wie sie es einst geschafft hatten, sich den Umweltbedingungen des Mars anzupassen, so würde es auch umgekehrt wieder möglich sein…
    Ich frage mich, wer hier den Verstand verloren hat. Jetzt an eigene Kinder zu denken.
    Hand in Hand mit Calora rannte Damon, wie er vielleicht noch nie in seinem Leben gerannt war. Die hohe Schwerkraft setzte ihm auch nach Monaten noch zu.
    Was unter diesen Bedingungen wirklich schnell war, bewiesen ihm die Gestalten, die sich an ihre Fersen geheftet hatten. Von den beiden Marsianern zunächst unbemerkt, schafften sie es nicht nur, sie zu überholen, sondern auch noch einen Bogen zu schlagen und urplötzlich vor Damon und Calora aufzutauchen.
    Die beiden stoppten abrupt. Waffenmündungen richteten sich auf sie, obwohl sie selbst unbewaffnet waren.
    Dann ging alles ganz schnell. Energiebahnen züngelten auf sie zu, durchschlugen den Stoff ihrer Kleidung und bissen sich wie Schlangenzähne in ihr Fleisch. Extreme Voltzahlen schüttelten die beiden Marsianer so lange, bis ihre Schreie erstarben und sie bewusstlos zusammenbrachen.
    Das zufriedene Grunzen der Retrologen hörten sie schon nicht mehr.
    ***
    Sie leckten sich ihre Wunden.
    Willard zählte und betrachtete seine Schäfchen, wie sie nacheinander wieder ins Verlassene Dorf zurückfanden. Der vor dem Überfall noch zweiundzwanzig Personen umfassende Kader war auf neunzehn zusammengeschmolzen, wovon einer schwerstverletzt war und die kommende Nacht wahrscheinlich nicht überleben würde. Zwei weitere waren immerhin so in die Mangel genommen worden, dass einer auf einem Auge blind bleiben würde und dem anderen von einem Laserschuss die halbe Hand mit drei Fingern - vom kleinsten bis zur Mitte - durchtrennt worden war. Dabei hatte er aber kaum Blut verloren, weil die Hitze des Strahls den Schnitt sofort verödet hatte.
    Willard zeigte wie üblich äußerlich keinerlei Regung, als ihm die Gefangenen vor die Füße gelegt wurden. Seine innere Regung mochte Rachedurst sein. Aber er war nicht Anführer geworden, weil er sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit sofort aus der Reserve locken ließ. Drei Tote, in ein paar Stunden vielleicht sogar vier, lautete die bittere Bilanz eines auf ganzer Linie misslungenen Unternehmens, das er, Willard, geplant und befohlen hatte.
    Er wusste, dass die Blicke seiner Retrologen - sofern sie noch auf eigenen Beinen stehen konnten - ihren Anführer keineswegs unkritisch musterten. Er hatte, so schien es, seinen Kredit bei ihnen verspielt. Auch wenn keiner offen aufmuckte, war doch deutlich das Verlangen nach einem Führungswechsel in ihren Blicken zu lesen.
    »Das war eine so nicht vorhersehbare herbe Niederlage«, wandte er sich an seine Leute, während er sich vor diejenige der beiden reglosen Gestalten am Boden stellte, die weibliche Züge hatte - obwohl ihm auch die andere verflucht weibisch vorkam. Verdammt, wenn das ein Kerl war, dann hätte er unter normalen Bedingungen - also dem permanenten Überlebenskampf - kaum das Erwachsenenalter erreichen dürfen. Er trug eine Kutte, die seine Schwächlichkeit sogar noch schönte. Ohne sie hätte er wie ein unglaublich schmales, magergliedriges Strichmännchen ausgesehen.
    Bei der Frau akzeptierte Willard das filigrane Erscheinungsbild schon eher, wobei sie fast ebenso groß wie der Mann war.
    Die Gesichter beider Gefangener waren in einer Weise gezeichnet, die zunächst an Tätowierungen denken ließ - doch aus der Nähe betrachtet stellte sich heraus, dass sich um nichts Gestochenes oder Aufgemaltes handelte. Die seltsamen Streifen wirkten wie natürliche Bestandteile der Haut. Wie gewachsen .
    »Was ist das vor ihrem Gesicht… und die Röhrchen, die in ihren Nasen stecken? Nehmt es ihnen ab.«
    Er

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