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und hinter mir rasten die Ringe ein.
»Normalerweise sind auch Fußschellen vorgeschrieben«, sagt er. »Aber Sie wollen mir ja nicht über den Zaun springen, oder?«
Ich denke, Alter, das sind jetzt heftige Veränderungen, die da gleich auf dich zukommen. Du musst dich konzentrieren, du kannst nicht in so einem Zustand im Geschlossenen ankommen, du darfst keine Schwäche zeigen, du musst funktionieren, und dann werde ich auch schon über den Hof geführt.
Aus der Entfernung sehe ich ein paar Gefangene herumlungern, ich versuche, nicht auf den Boden zu gucken und nicht zu weit nach oben, einfach geradeaus. Wir gehen auf Haus A zu, das wie ein Gefängnis im Gefängnis aussieht, eine Burg in der Burg, eigener Stacheldrahtzaun, eigene Kameras und sogar endlich Gitter vor den Fenstern. Davor liegt ein großes Stahltor mit einer kleinen Tür. Der Bereichsleiter muss klingeln, die Beamten vom offenen Vollzug haben keine Schlüssel für den Geschlossenen. Er meldet mich durch den Lautsprecher an, auf der anderen Seite antwortet jemand, dass sie mich schon erwarten, aber bevor sich die Tür mit diesem durchdringenden Hupen öffnet, sagt mir der Bereichsleiter noch was.
Und das ist es, was er sagt: »Herr Stein, das war sehr gut, wie Sie das da vorhin gemacht haben. Ich wünsche Ihnen viel Glück, und halten Sie die Ohren steif. Das wird schon.«
7
Ich gehe über den Innenhof der Geschlossenen. An den Fenstern stehen überall Häftlinge, die ihre Arme so durchs Gitter geschoben haben, und glotzen mich an. Vermutlich wissen sie längst, wer ich bin. Ich sag mir, Alter, du hast gerade gar keine Zeit mehr, über deine Situation nachzudenken, du musst jetzt voll in den Moment reingehen. Du musst genau dasselbe machen, was du vor einem Monat gemacht hast, als du dich gestellt hast. Nur, dass du vor einem Monat noch nicht so viel über den Knast wusstest. Jetzt weißt du mehr, aber eben auch noch nicht alles. Alles kommt jetzt.
Als damals dieser Komet auf der Erde einschlug, hat sich für die Dinosaurier das Klima auch von einem auf den anderen Tag komplett verändert. Entweder du schaffst es, dich anzupassen, oder du stirbst. Gerade hab ich mich drüben in Haus C ein bisschen eingelebt, da werden die Karten schon wieder neu gemischt.
In Handschellen, die Arme auf dem Rücken, lauf ich den Beamten nach, die mich hinter der Stahltür übernommen haben, paar Steinstufen rauf, rein ins Haus. Ein moderner, rechteckiger Bau, wie ich das von drüben kenne, nur viel mehr Türen, viel mehr Gitter. Das ist keine Kaserne mehr, das ist geschlossener Vollzug. Im Erdgeschoss sitzen zwei Beamte hinter kugelsicherem Glas in ihrer Zentrale rum. Ich werde zu ihnen in den Glaspavillon gebracht, und ich seh sofort an ihren Blicken, die wissen ganz genau, wer hier gerade überstellt wird. Sie erheben sich von ihren Plätzen und nehmen mir die Handschellen ab. Ich versuch weiter gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Ich: »Guten Tag. Ich bin dann jetzt anscheinend bei Ihnen.«
Und die: »Ja, genau. Wunderbar. Nehmen Sie Platz.«
Die Zentrale liegt exakt in der Mitte zwischen den Gängen. Du hast rechts einen langen Gang mit Zellen und links einen langen Gang mit Zellen. Du kommst von dem einen nicht in den anderen, ohne durch die Zentrale zu gehen. Du kommst auch nicht aus dem Haus raus, ohne durch die Zentrale zu gehen. Die Gänge sind alle komplett mit Kameras überwacht, und die Zentrale lässt sich nur von innen elektronisch öffnen. Die Beamten haben sich richtiggehend verschanzt. Sie sitzen hinter ihren Schreibtischen, mit Papierkram, Walkie-Talkie-Aufladestation, Überwachungsmonitoren und diesen Rollkommando-Klamotten: Helme, Körperpanzer, Schlagstöcke. Die Einrichtung als solche wirkt total deprimierend, die Gänge sind von der Sterilität her noch mal fünf Stufen krasser als im Regelvollzug. Da steht keine Pflanze drin, kein Stuhl, da liegt nichts rum, nur graues Linoleum auf dem Boden.
Ich hab den Regelvollzug nicht als Kindergarten empfunden, ganz und gar nicht. Aber das hier ist jetzt innerhalb des regulären Strafsystems das Maximum, was du an Eingesperrtheit kriegen kannst. Es sei denn, du kommst in Isolationshaft.
Nach einer Stunde, die ich einfach nur in der Zentrale rumgesessen und die Beamten beim Zeitunglesen beobachtet habe, kommt ein Funkspruch aus der Kammer, dass meine persönlichen Sachen eingetroffen sind, und ein Beamter bringt mich hin. Ich gehe ohne Handschellen, aber ich brauch auch keine, in dem Gebäude
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