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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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nur unglaublich.
    Ich steh vor dem Tresen und ziehe ein Paar von diesen behinderten Secondhand-Unterhosen an, die irgendein Idiot mit den roten T-Shirts zusammen gewaschen haben muss und die deswegen total rosa sind. Alle Unterhosen sind total rosa. Diese Deppen. Da kommt voll Ekel auf. Unterhosen sind normalerweise nichts, was du mit anderen teilen würdest, schon gar nicht mit Leuten, die du nicht kennst und die sich in die Hose scheißen. Du hast zwar zu diesem Zeitpunkt noch niemanden gesehen, der sich in die Hose geschissen hat. Aber klar, du hast jetzt schon keinen Bock drauf.
    Innerhalb von fünfzehn Minuten reduziert sich mein eh schon kleiner Besitz auf den Tabak und die Fotos von meiner Süßen, die ich aus dem Karton bekomme, ich darf auch meine Zahnbürste und meine Schuhe behalten. Wahnsinn, wie wenig man besitzen kann. Als der Beamten kommt, der mich auf meine Zelle bringt, bin ich frisch eingekleidet und klemm mir so newcomermäßig das Zeug unters Kinn, damit nichts runterfällt.
    »Sie kommen auf die 4. Station in ’ne Doppelzelle«, sagt er.
    Keine Ahnung, was das heißt. Ich lauf einfach mit und kapier irgendwann, die 4. Station ist einer von den Gängen, die ich gesehen habe. Die dritte Tür rechts ist Zelle 313. Der Beamte sperrt auf, ohne anzuklopfen. Die Zelle ist deutlich größer als meine alte und nicht so vergilbt, das freut mich mal. Zwei Stühle, großer Kühlschrank, großer Tisch, zwei Schränke, alles bundeswehrmäßig. Im Doppelstockbett unten schnarcht ein alter, zotteliger, total fertiger Kerl, der wie mindestens sechzig aussieht.
    Ich hatte schon im Regelvollzug gelernt, dass du jeder Zelle ungefähr ansehen kannst, wie die Leute so drauf sind. Hatten sie draußen Sachen gedreht, die sich gelohnt haben, haben sie drinnen auch gut gelebt. Bei dem Typen hier ist gleich klar, der hat gar nichts auf die Reihe gekriegt. Kein Fernseher, kein Radio und auf dem Regal, das für Lebensmittel genutzt werden darf, steht nichts außer absolutem Billigkaffee mit ein paar Filtertüten.
    Der Beamte noch trocken: »Viel Spaß.«
    Dann knallt er die Tür hinter sich zu, der Typ schläft weiter, der hat die Ruhe komplett weg. Ich setz mich an den Tisch, wo ein voller Aschenbecher steht, was schon mal ein gutes Zeichen ist, dass hier nicht gleich der Stress losgeht von wegen Nichtraucher und so. Ich mach mir eine Zigarette an und guck durch das Gitter aus dem Fenster raus. Da liegt ein Innenhof, auf dem wahrscheinlich die Freistunde stattfindet, dahinter baut sich ein mordsmäßig hoher Gitterzaun auf, zehn, zwölf Meter, schwer zu sagen, obendrauf fiese Stacheldrahtrollen und Kameras, und dahinter beginnt schon wieder der Regelvollzug. Ich kann sogar Haus C mit meiner alten Zelle sehen. Luftlinie hab ich mich nicht weit bewegt – ich kann immer noch die Kaninchen sehen, die glücklich auf der Knastwiese rumhoppeln. Für sie ist es immer noch die gleiche Welt, für mich eine komplett andere. Endlich regt sich mein verfilzter Mitbewohner. Er reibt sich die Augen und setzt sich auf, um sich gleich mal ’ne Zigarette zu drehen. Mann, ist der aber fertig mit der Welt, denke ich und geh rüber zum Bett, um ihm die Hand zu geben. Wir machen’s kurz. Ich bin der Oli, er ist der Franz. Das wär geklärt.
    »Ja, woher kommst denn du?«, fragt er total verquollen.
    Ich so: »Von drüben. Regelvollzug.«
    »Oh, Scheiße.«
    »Ja, offensichtlich Scheiße.«
    Ich will sofort loslegen, dass ich heute Freigang haben sollte und gerade alle meine Bewährungen hochgegangen sind und so, aber der Franz meint gleich, bei ihm wär auch alles scheiße. Er müsste längst draußen sein, aber sein Scheißsohn holt ihn nicht raus, seine Scheißfrau ist inzwischen schon seit Jahren weg und seinen Scheißfreunden von der Trinkhalle ist er auch egal.
    »Dabei könnt ich morgen hier weg sein, Alter«, sagt er. »Echt wahr. Kein Scheiß. Ich bin doch ’ne Geldstrafe.«
    Geldstrafe – hab ich noch nie gehört. Interessiert mich auch nicht. Er kommt trotzdem zu mir rüber und labert mich mit diesem Geldstrafending zu. Ich krieg nur mit, dass das Leute sind, die gar nicht sitzen müssten für das bisschen Mist, was die verzapft haben, sie können bloß die Geldstrafe nicht zahlen, nur deshalb hat man die eingebuchtet. Auf der einen Seite also voll die Kirchenmäuse, auf der anderen Seite natürlich auch krass die Oberspacken, weil es eigentlich jeder, und sei es mit Hartz IV oder so, geregelt kriegen müsste, nicht in den Knast

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