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313

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Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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zu kommen. Beim Franz sind es sechshundert Euro Strafe, die er nicht hatte. Macht bei ’nem Tagessatz von zehn Euro sechzig Tage Gefängnis. Darum sitzen die auch mit den richtigen Verbrechern zusammen, weil sie sowieso nicht früher rauskommen. Es sei denn, er zahlt die Strafe doch noch irgendwie ab. Ich selber könnte mich für kein Geld der Welt hier rauskaufen. Aber wenn beim Franz jemand Kohle hätte, dürfte der zu jeder Tageszeit nach vorn zur Pforte kommen, Cash hinlegen und den Franz mitnehmen. Beim ihm hat nur niemand Kohle.
    »Das ist doch die Scheiße«, sagt der Franz.
    Er ist ein total gescheiterter Alkoholikervogel, der die ganze Zeit nur rumflucht, wie beschissen alles ist. Saß immer wegen so totalem Unsinn, Hausfriedensbruch, Diebstahl, Betrug, diesmal war es irgendeine Unterhaltssache. Er erzählt mir den kompletten Mist einmal durch, und währenddessen greift er auf einmal in den Aschenbecher und nimmt sich meine ausgedrückte Zigarette, um sich den Tabak rauszupulen. Ich fass es nicht.
    Ich so: »Alter, ich krieg ’nen Vogel. Du kannst doch nicht die abgebrannten Dinger von mir nehmen. Bist du blöd?«
    Und er gleich so erschrocken: »Brauchste selber?«
    »Ja, nee, aber das ist mir echt zu krass, Alter.«
    Ich geb ihm ein paar Gramm Tabak, keine Ahnung, vielleicht fünfzig, nicht viel, aber wenn man’s in Geld rechnet, wären das für den Franz sicher ein paar Minuten Freiheit. Er freut sich wie ein Schnitzel und fängt an, sie zu verrauchen, und ich bin happy, weil mir klar ist, dass ich wenigstens in der Zelle ganz klar das Kommando haben werde. Das ist mir sehr recht. So eine Verteilung ist ja immer ’ne Lotterie. Auf einmal sitzt du mit ’nem Hells Angel da, der dich scheiße findet und nicht will, dass du in seinen Fernseher guckst oder auch nur neben ihm am Tisch sitzt. Kann zwar sein, dass ich mit dem Franz noch Auseinandersetzungen kriege, aber dann sicher keine, bei denen er gewinnt.
    Im Anschluss versuch ich, ein paar Informationen über das Haus zu bekommen, muss aber bald einsehen, so, wie ich mir das Briefing wünsche, kriegt der Franz das nicht hin. Wie ist es hier denn so? Ja, ist halt Knast. Wie sieht’s mit Telefonieren aus? Brauchste ’n Telefonkonto. Und hast du so was? Nee, er hat doch kein Geld. Weißt du, wie das geht? Nee, weiß er auch nicht. Für mich war die Telefonzelle bisher eigentlich der wichtigste Tagesprogrammpunkt, ich frag mich, wie das jetzt gehen soll. Da hören wir auf einmal Bewegung auf dem Gang, Zellentüren gehen auf.
    »Is nur die Scheißpostausgabe«, sagt der Franz. »Aber mir schreibt ja keiner.«
    Ich fühl mich eigentlich nicht danach, auf den Gang zu gehen, aber ich brauch die Papiere, die Anliegen, den Formularkack, darum trete ich aus der Zelle und stell mich erst mal neben die Schlange, die vor der Zentrale ansteht. Die meisten Leute hier sehen deutlich mehr nach Gefängnis aus als die Typen aus dem Regelvollzug. Mordsmäßig viele Gleichaltrige, zwischen Ende zwanzig und Ende dreißig, vom Schnitt her sehr stabil, in sehr guter körperlicher Verfassung. Obwohl sie’s nicht über die Kleidung ausdrücken können, es tragen ja alle bis auf die Schuhe das Gleiche, scheinen viele besonderen Wert auf ihr Äußeres zu legen. Ich seh überall getrimmte Bärte. Die Atmosphäre ist fast poserhaft, wie beim Schaulaufen, unglaublich maskulin, sehr männerstyled, was mir nicht unbedingt unsympathisch ist.
    Neben mir steht so ein aufgemuskelter Zwei-Meter-Brecher mit einem kleinen Kurden zusammen, der genauso auftrainert ist.
    Brecher: »Ey, Soran, was stehst du überhaupt bei der Post? Dir schreibt doch niemand. Du kriegst doch nichts.«
    Kurde: »Doch, deine Freundin schreibt mir die ganze Zeit.«
    Völlig klar, dass hier jeder von denen seine Eier und seinen Schwanz dabeihat. Das ist keine Umgebung, in der du als Neuankömmling gleich mit einsetzen solltest. Da würden sich sofort alle Mienen verfinstern. Aber du merkst, wenn du mal Teil des Ganzen wirst, wird auch gelacht, auf jeden Fall. Das gibt mir ein sicheres Gefühl. Die bringen sich also nicht alle gegenseitig um.
    Mir fällt auf, dass es drei Gruppen gibt. Da sind die Stärksten und offensichtlich auch Schwersten, die in sich selbst einen Kreis bilden. Zehn, zwölf Leute, die ein bisschen abseits stehen und bei denen du sofort merkst, von denen geht hier alles aus. Dann gibt es ein paar ältere Männer, die du auch als gefährlich oder weit oben stehend einstufen würdest, aber von der

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