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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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Art her verschwiegener, reserviert, völlig für sich selbst. Und du hast die Geldstrafen, die sich wortlos verpissen oder zur Seite geschoben werden, sobald jemand aus einer der anderen Gruppen kommt.
    Irgendwie erinnert mich das an ein Wasserloch in Afrika. Du hast Nashörner und Löwen und zwischendrin so komische Vögel – Madenhacker oder so was –, wo sich die Nashörner sagen, bevor ich das Federviech jetzt grob umhaue, fliegt’s sowieso weg. Ich krieg’s nicht, ist aber auch egal. Trotzdem ärgern die Vögel die Nashörner jetzt nicht mit Absicht, weil’s den einen oder anderen dann doch mal bei einer Rangelei zerlegt hat. Dazu kommen die Löwen, die untereinander wissen, sie könnten höchstens als Gruppe auf das wütende Nashorn raufgehen, aber natürlich wollen sie das lieber nicht forcieren. Und du hast die Beamten, die sind die Wärter in diesem Zoo. Die kennen ihre Viecher, die sitzen gut gepanzert in ihrer Zentrale und sehen schon an der Art, wie der Löwe aus seinem Käfig rausgeht, ob der heute ’nen Kacktag hat und beleidigt ist. Ist nur Beobachtung. Passiert ja sonst nichts.
    Ich halt mich an der Seite, aber es ist ein schmaler Gang. Ich steh allein, voll ausgeleuchtet in diesem Neonlicht, und habe das Gefühl, die Leute gucken mich alle an, die scannen mich viel krasser als im Regelvollzug, aber sie sagen nicht wirklich was. Dabei warte ich die ganze Zeit nur drauf, dass irgendjemand was sagt. Langsam krieg ich es jetzt auch mit der Angst. Ich steh da und mach mir mordsmäßig Sorgen, dass gleich irgendeine Scheiße losgeht von wegen verwöhnter Promi, Vollidiot, jetzt wirst du mal sehen, wie es hier richtig abgeht.
    Wenn wir damals auf meinem Internat in England mit einer gegnerischen Mannschaft Rugby gespielt haben, wurde sich gern auch mal kräftig geboxt, bevor es losging, das war wirklich heftig. Wenn du da zum Beispiel an drei Leuten von der gegnerischen Mannschaft vorbeigegangen bist und sie dir alle drei hinten voll aufs Trikot rotzen, musstest du auch sofort wissen: Steig ich da jetzt drauf ein, dreh mich um, hau denen sofort eine rein? Oder tue ich besser so, als wenn ich’s nicht gemerkt hätte?
    Ich sag mir, nicht nach unten gucken, nicht ängstlich gucken, aber auch nicht provokant. Bewahre deine Coolness auf jeden Fall, aber fang nicht mit Sprüchen an. Nicht gleich der ganzen Schlange erzählen, warum du heute angekommen bist. Behalt das erst mal für dich. Nichts sagen ist besser als zu viel sagen. Auch nicht den Pausenclown machen. Ruhig bleiben. Atmen.
    Vor mir sehe ich, wie die Beamten in der Zentrale mit einzelnen Gefangenen scherzen. Es darf immer nur einer auf einmal rein. Bei mir sind sie total tonlos. Ich verzieh mich mit den Vordrucken, die ich von drüben schon kenne, auf meine Zelle. Für mich war das an Kontakt für den ersten Tag absolut ausreichend. Ich schreibe Anliegen für einen Kabel- TV -Anschluss, eine Paketmarke, damit mir von draußen jemand Tabak reinschicken kann, den brauch ich unbedingt, und ich füll einen Besuchsschein für meine Süße aus, der mir vermutlich frühestens in zwei Wochen genehmigt wird. Ich werf das alles in den Briefkasten auf dem Gang und müsste froh sein, dass ich schon mal was erledigt hab, aber meine Stimmung ist eigentlich katastrophal.
    Die Abenteuerlust, die ich verspürt habe, als ich mich damals gestellt hab, die habe ich jetzt überhaupt nicht mehr. Es belastet mich unglaublich, dass es die abendlichen Telefonate mit meiner Süßen nicht mehr gibt. Du siehst dich nicht, du kannst dich nicht anfassen, aber du hast den anderen wenigstens gehört, konntest mit ihm lachen, Probleme besprechen. Jetzt hast du echt nur noch Briefe. Das wird ’ne ganz andere Nummer. Du hast gerade das Bedürfnis, der anderen Person zu sagen: Ich liebe dich. Ja, vergiss es. Das erreicht sie überübermorgen.
    Wenn ich jetzt telefonieren dürfte, ich würde ihr erst mal zur Beruhigung sagen, Süße, hör zu, bin im Haus A, das passt schon. Mach dir um mich mal keinen Kopf. Mir geht’s beschissen, aber es passt. Pech, kann ich aber leider nicht ändern. Ich würde es so gern sagen, aber wenn du erst mal anfängst, dich in den ausweglosen Gedanken reinzusteigern, machst du dich komplett kaputt. Du bist es einfach gewöhnt, sogar noch im Regelvollzug gewöhnt, dass du immer die Möglichkeit hast, zumindest noch was sagen zu können. Aber ich kann überhaupt nichts mehr sagen. Nicht mal ein Selbstmordversuch bringt mich in die Situation, dass ich

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