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313

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Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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nach exakt einer Stunde schon wieder erledigt hat. Du überlegst, wie du diesen Besuch über die Runden bringen kannst, ohne ihr zu erzählen, was grad passiert ist, weil du nicht willst, dass sie sich Sorgen um dich macht und nicht mehr schläft, und in dem Moment siehst du sie durch die Stahltür kommen, und alles ist vergessen. Du erlebst wieder den schönsten Menschen, den absoluten Engel, am hässlichsten Ort der Welt. Gerade noch hattest du diese ganze Last, diesen kompletten Horror, aber das nimmt sie dir völlig weg. Das ist echt faszinierend. Eine Stunde lang bist du wo ganz anders.
    Ich sag ihr nur: »Ich bin jetzt fest als Hausarbeiter eingeteilt, Baby. Ich muss jedes Wochenende Toiletten sauber machen.«
    Sie so bestürzt: »Das ist ja ’ne Katastrophe.«
    Aber ich: »Du, ich muss da jetzt einfach durch. Das hilft alles nichts, aber es ist echt zum Teil nicht einfach für mich.«
    Und sie zuckersüß: »Das kann ich mir vorstellen.«
    Und ich: »Baby, du kannst dir das von draußen nicht vorstellen. Gar nichts kann man sich vorstellen, wie das alles ist.«
    Nach dem Besuch von meiner Süßen will ich keinen mehr sehen. Ich liege im Bett, starre an die Decke und hab immer wieder das Gesicht vom Marok vor mir und wie er plötzlich Angst bekommt. Ich kenn das von draußen, wenn ich mich mit jemandem geboxt hatte. Das ist ein altes Muster von mir. Dann lag ich am andern Morgen auch so da und war überhaupt nicht mehr stolz drauf, sondern hab nur noch überlegt, wie groß die Chance ist, dass ich bald eine Anzeige in meinem Briefkasten hab.
    Ich schaue von meinem Bett aus auf den Innenhof. Da sind die Zäune, die Lichter, dahinter die Stadt. Der Franz schnarcht, sonst ist alles ruhig, alles ist so verdammt ruhig, während draußen das Leben immer weitergeht. Meine Süße hat wieder so gut gerochen. Eine Stunde lang hätte ich nur an ihr riechen können.
    Und da sag ich mir was: Du musst hier ganz anders leben. Du hast eine Stunde lang die Möglichkeit, deine Frau, die du über alles liebst, zu sehen. Dann musst du diese Stunde mit ihr maximal genießen. Es macht keinen Sinn, den Scheiß, den du gerade erlebt hast oder noch erleben wirst, mit in die Stunde hineinzunehmen. Dann hast du diese Stunde verschwendet, und der Scheiß kommt später eh. Wenn du später von einem dieser Schweine erstochen wirst, dann hattest du wenigstens die Stunde. Das sag ich mir, und auf einmal hab ich zum ersten Mal, seit ich sitze, das Gefühl, dass ich mir wirklich zuhöre und es irgendwie schaffe, mein Denken zu steuern.
    Am anderen Morgen steh ich im Büro von Herrn Karl. Es war noch nicht mal Frühstück ausgegeben, da hat der Oberboss mich schon rufen lassen. Anders als letztes Mal darf ich mich setzen, offenbar wird das hier länger dauern. Der Karl sitzt wieder in einem rosa Hemd hinter seinem Schreibtisch und blättert in einer Akte. Er sieht so irre gesund aus. Auf dem Regal entdeck ich das Foto von ’nem Segelboot, ich weiß gar nicht, ob es das letzte Mal schon da stand.
    Der Karl fängt gleich an, nicht aggressiv oder so, nur einfach nicht freundlich. Er redet, als würde er ’ne Anklage verlesen.
    »Herr Stein, Sie werden beschuldigt, auf die 3. Station gegangen zu sein, einen Gefangenen in seiner Zelle aufgesucht zu haben und eingetreten zu sein, ohne dass der Gefangene dies gewünscht hat. Sie haben anscheinend den Gefangenen auch in seiner Zelle eingesperrt, indem Sie die Tür zugemacht und sich ihm in den Weg gestellt haben. Das ist offensichtlich auch nicht zu widerlegen. Ich habe mir das Videomaterial noch nicht angeschaut. Aber überlegen Sie sich bitte genau, was Sie jetzt sagen, weil wir alles, was Sie da oben im Gang gemacht haben, auf Band haben. Das sage ich Ihnen gleich schon mal vorweg.«
    Ich will gleich dazwischen und sag: »Ja, aber …«
    Doch der Karl hebt sofort total verärgert die Hand, damit ich still bin, und dann redet er in dem Stil weiter.
    »Der Gefangene hat ausgesagt, dass Sie ihn massivst bedroht haben. Sie haben ihm unterstellt, dass er Sie beleidigt hätte, Sie sind ihn körperlich angegangen und haben ihn in sein Bett gestoßen, zwei andere Gefangene mussten zu Hilfe kommen, dass er die Zelle überhaupt verlassen und die Zentrale erreichen konnte. Das ist jetzt ein richtig großes Problem, das Sie jetzt haben.«
    Ich will wieder dazwischen: »Ja, aber …«
    Aber der Karl meint, ich solle ihn bitte ausreden lassen.
    »Wenn ich in Ihre Akte gucke, sitzen Sie wegen Körperverletzung

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