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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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Andi und ich hier sitzen, grad wie ein Lauffeuer über die Stationen. Die Sache wird bekannt, davon können wir mal ausgehen. Gut, der Marok ist jetzt nicht auf ’ner Bahre rausgebracht worden, was knastseitig mal das Allerbeste gewesen wäre, dann hätte ich Ruhe gehabt, wobei da natürlich die Gefahr besteht, dass sich Leute, die sehr viel stärker sind, animiert fühlen, das wieder zu korrigieren. Das kann sein, das ist nicht absehbar, aber dann befindet man sich eben im Krieg. Dann herrscht Krieg, dann ist es so. Mein Leben ist beschissen, hoffentlich wird eures auch beschissen. Für den Moment jedenfalls hab ich mal klargezogen, dass man mit mir nicht rumficken kann. Ich denk noch, das sieht der Andi genauso, weil er schweigt.
    Stattdessen sagt er ganz ruhig zu mir: »Aber Alter, du willst doch irgendwann mal hier raus.«
    Er klingt dabei komischerweise nicht wie ein richtiger Gefangener, sondern eher wie ’n Beamter, was mich, je länger ich drüber nachdenke, umso mehr stört, eigentlich aufbringt.
    Ich sag: »Was soll das heißen?«
    Und er: »Naja, vielleicht hätte man das doch irgendwie anders regeln müssen.«
    Das Problem ist, dass ich mir gerade im Knast eine Anzeige eingehandelt hab, obwohl ich schon zweimal Körperverletzung auf dem Plan stehen hab und draußen noch ein Verfahren wegen einer dritten Sache läuft. Jetzt könnte das hier das vierte werden. Da ist sowieso Ende mit Bewährung, da sitz ich bis zur Endstrafe, mindestens. Wer weiß, wann ich dann überhaupt wieder rauskomme. Wenn sie jetzt schon sagen, dass ich auf der Zelle bleiben soll, kein Gang, kein Gemeinschaftsraum, nur Zelle, eingesperrt im Endeffekt, und wenn sie jetzt schon versuchen, den Herrn Karl zu erreichen, am Sonntag, wegen so was, dann schicken die mich morgen als Erstes mit dem Bus nach Atzleben. Als mir das klar wird, geht mir auf einmal ganz heftig der Strom an.
    Ich brüll so: »Dicker, das läuft nicht. Die können mich am Arsch lecken. Hausarbeit? Ich mach keine Hausarbeit mehr. Ab jetzt gibt’s nur noch auf’s Maul. Dieser Marok soll ’n harter Dealer sein? Das ist der größte Witz, dieser Typ. Ich steh allein gegen drei Leute und der rennt zu den Beamten und heult rum, als würden ihm zwei Zähne fehlen oder ich wär mit ’nem Messer auf ihn los. Wenn ich kein Verbrecher bin, dann lass ich’s. Aber ich schrei nicht in der Gegend rum und erstatte Anzeige.«
    Der Andi nickt, obwohl ich nicht sicher bin, ob er das tatsächlich alles so klug findet, was ich da sage. Nur bin ich momentan so mordsmäßig aggressiv drauf, richtig wie in ’nem Amok-Film, dass es sowieso sinnlos wäre, mit mir zu diskutieren.
    Also sagt er nur: »Easy, Alter, easy. Jetzt wart erst mal ab.«
    Ich kann aber nicht abwarten: »Dicker, wenn die mir jetzt den Besuch mit meiner Süßen canceln, dreh ich total durch. Ganz im Ernst, keine Ahnung, diese Beamtenfotze oder dieser Wichser da oben, irgendeiner kriegt’s ab. Ich hab so die Schnauze voll.«
    Es ist jetzt halb zwei. Die Durchsagen, welche Nummern sich für den Besuch fertigmachen sollen, müssten eigentlich jede Minute kommen. Andi und ich sitzen wie versteinert auf meiner Zelle und starren die Wand an. Der Franz traut sich schon seit Stunden nicht mehr rein, und auch sonst niemand. Da ist die Durchsage. Es werden sechs Nummern aufgerufen. Meine ist dabei.
    Okay.
    »Bleib cool, Alter«, sagt der Andi.
    Ich sag: »Klar.«
    Ich lauf also wieder auf die Zentrale. Da sitzt noch immer der Beamte, der mir vorhin noch erzählt hat, dass ich jetzt Zellenarrest habe. Wie bei jedem Besuch pack ich meine Sachen aus und lege sie in die blauen Plastikboxen. Der Beamte drückt mir noch ’nen Spruch von wegen, wenn ich mir bei dem Besuch auch nur irgendeine Nummer leiste, zu lautes Reden, zu lange Umarmung, wird sofort abgebrochen. Aber das hörst du schon nicht mehr.
    Du gehst diesen hellen Gang lang in den Kellerraum, du setzt dich an einen der Tische, du siehst die Kinderspielecke im Neonlicht, und in dem Moment weißt du auf einmal ganz genau, was du unbedingt in deinem Leben willst. Du möchtest unbedingt bei deiner Freundin sein. Du möchtest unbedingt nichts mit dem Putzen von Gefangenentoiletten zu tun haben. Du möchtest nichts mit irgendwelchen Arschlöchern zu tun haben, die dich so provozieren, dass du völlig nüchtern auf ’n Mittag kurz davor bist, ’nen Typen umzuhauen, weil der sich nicht entschuldigen kann. Das ist es, was du willst, und dann fällt dir ein, dass sich das

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