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Wlad, sonst muss ich nur grinsen. Aber es ist so geil, was man alles argumentieren kann.
Der alte Scherer sagt nur: »Aber …«
Es ist ja klar, worum es hier geht. Wir stehen da auf dem Hof, drei Freunde, die das gesamte Essen im Haus kontrollieren und sich nun auch noch optisch total vom Rest abheben. Das ist exakt das, was die Beamten immer zu vermeiden versuchen. Da wirst du für die anderen Gefangenen nämlich ganz schnell zum Symbol dafür, dass es bei dir im Moment einfach komplett besser läuft als bei ihnen allen. Aber jetzt merkt man eben wieder, was Knast für eine Scheißveranstaltung ist. Missgunst lauert echt überall. Natürlich haben wir, bevor wir in die Freistunde gehen, immer noch Zeit, die weißen Hosen auszuziehen, die weißen T-Shirts aber angeblich nicht. Das weiß der Scherer auch, dass das irgendwie komisch ist. Es fällt ihm nur grad nicht auf.
Er wehr sich noch: »Dafür haben Sie halt diesen Job.«
Und ich sag: »Aber wir sind immer die Leidtragenden.«
Da gibt er auf: »Versuchen Sie es halt zu vermeiden.«
Andi, Wlad und ich versprechen, uns diesbezüglich wirklich zu bemühen, und drehen uns schon zur Tür, als ich den alten Scherer noch wie nebenbei frage, wer sich da eigentlich beschwert hat.
Aber da passt er auf: »Das werd ich Ihnen nicht sagen.«
Es dauert nicht lange, bis wir wissen, wer versucht, uns anzuscheißen. Der Andi redet ein bisschen mit unserem Hausarbeiter, dem Österreicher, der hört viel und diesmal hat er gehört, dass über uns drei in der Kammer gequatscht wurde. Ich rede ein bisschen mit dem einzigen Typen, der von unserer Station in der Kammer arbeitet. Das ist so eine arme Sau, die wegen Fahrerflucht sitzt, Typ Familienvater, hat besoffen ’ne Frau umgesenst, sitzt hier nur so seine Zeit ab und will nicht auffallen.
Ich rauch eine mit ihm und sag: »Sag mal, Dicker, was war denn da los bei euch unten in der Kammer?«
Aber er gleich vorsichtig: »Wieso?«
»Hab gehört, dass es Stress gab wegen unseren T-Shirts.«
»Ach naja, der Holger.«
»Was ist denn mit dem Holger?«
Es stellt sich heraus, dass der Holger, wie er den Kammervorarbeiter nennt, da unten große Reden schwingt von wegen, dass das jetzt aufhört mit diesen Sondernummern, eng anliegende T-Shirts, Stretchstoff, sonst irgendwas. Offenbar fühlt sich der da unten sehr sicher, dass er einen so auf dicke Hose macht.
Der Kammervorarbeiter ist von der Optik her gesehen eigentlich ein Banker. Keiner, der im Knast andern was sagen dürfte. Kein Brecher, nur mittelmäßig muskulös, voll der Schreibtischtäter. Hat sich, wie man hört, in die Kammer überhaupt nur über ’ne Beschwerde reingeschrieben, sich da zum Vorarbeiter hochgeschleimt und sich nach und nach nur noch seine Leute reingeholt. Auch alles so kraftlose Wichser, die Angst vor ihm haben, weil er ihnen vom Intellekt her überlegen ist. Hat da einen richtigen kleinen Hofstaat am Laufen, der Holger, scheint aber trotzdem weder bei den Beamten noch bei den Gefangenen sonderlich beliebt zu sein. Straftat schwerer Betrug, würde ich mal sagen.
»Nee«, sagt der Hopp, »das ist doch ’n Kifi.«
Es ist total früh. Wir kommen grade wieder aus der Metzgerei und laufen über den großen Hof. Andi und ich schieben den Bollerwagen, der Hopp latscht so nebenher und ist bester Laune. Gleich gibt’s Frühstück, und danach hat er Schichtende.
Ich sag: »Was ist der?«
Und der Hopp: »Mensch, Stein, ’n Kinderficker.«
Selbstverständlich darf der Hopp das auf gar keinen Fall machen, was er da grade gemacht hat. Ein Beamter darf den Gefangenen nicht verraten, warum jemand einsitzt, und zwar gar nicht, überhaupt nicht. Gut, bei mir wär’s egal, da weiß es sowieso jeder. Aber wenn dir einer Drogen auf der Zelle versteckt, weil er weiß, dass du schon wegen Drogen drin bist, ist das ein anderer Schnack, als wenn er dem Holger Drogen auf die Zelle legt, der damit nie was zu tun hatte. Allerdings macht das, wofür der Holger sitzt, natürlich auch irgendwie Sinn.
Die Kinderficker sind im Knast allein wegen ihrer Straftat schon persona non grata. Meistens sind das konservative Spießbürger, die draußen die Polizei rufen, wenn du sonntags die Bohrmaschine rausholst, und die dann über Monate dokumentiert haben, wann du die immer anmachst. So sind die drauf. Die sind null trainiert, dass sie sich darüber Respekt verschaffen könnten, aber die sind nicht dumm, verglichen mit anderen Gefangenen können sie sich gut ausdrücken. Also
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