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313

313

Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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da, der Andi steht da, das ist unsere Essenausgabe, davor steht der Kinderficker und hält sich die Hand, und der Hopp ist total abseits und weiß überhaupt nicht, was passiert ist. Er sieht nur, dass es hier grade voll abgeht. Ein paar Sekunden davor war alles ruhig, jetzt brennt die Luft.
    Er sagt: »Stein, was ist hier verdammt noch mal los?«
    Ich bin total aufgebracht, hochroter Kopf, Puls auf hundertachtzig und am Hals stehen mir die Adern raus. Dieser Vollidiot simuliert, dass ich ihn geschlagen hab, der wirft sein Zeug in mein Essen rein, und diese Kombination aus Scheiße, die der mir hingeworfen hat, sollen die anderen Gefangenen jetzt fressen.
    Ich schrei ihm ins Gesicht: »Verpiss dich, du scheiß Vergewaltiger, Kinderficker, Arschloch.«
    Der Hopp merkt jetzt auf einmal, was das für ein Riesenfehler war, dass er ausgequatscht hat, wofür der Typ einsitzt.
    Er brüllt mich an: »Herr Stein, beruhigen Sie sich sofort!«
    Und der Kinderficker brüllt: »Wo ist mein Essen?«
    Und ich brüll: »Alter, für dich gibt’s überhaupt nichts mehr!«
    Hinter uns sind die anderen Gefangenen längst alle auf Krawall aus. Als sie noch ihr eigenes Geschirr hatten, haben sie bei so was immer die Teller gegen die Becher gehauen. Bei der Essenausgabe trifft die ganze Station zusammen, Kämpfe sind da natürlich ein Happening. Der Hopp will endlich Ruhe reinbringen und schickt den Kinderficker auf seine Zelle, aber als der die Reihe nach hinten abläuft, kneifen ihn zwei in den Rücken, um ihn zum Ausrasten zu bringen, damit er mich vielleicht doch angreift. Es ist ’ne sehr schadenfrohe Veranstaltung und immer dann lustig, wenn du nicht grad beteiligt bist. Aber ich bin wegen Körperverletzung vorbestraft, für mich ist das hier ’ne gefährliche Situation. Der Kinderficker dreht sich wütend um, aber dann weiß er nicht weiter und er macht doch nichts. Er geht einfach auf seine Zelle.
    Am Tag darauf müssen der Kinderficker und ich zum Herrn Karl, dem Oberboss, um die Sache zu klären. Wir reden auch miteinander, aber jeder nur, was ihm Recht gibt, und am Ende entschuldigt sich keiner beim anderen. Die Sache bleibt vertagt.

15
    So ein Knast ist ein lebender Organismus. Er nimmt Sachen auf, und er scheidet Sachen aus, manche davon unverdaut.
    Andi, Wlad, Abu und ich sitzen zusammen auf der Zelle. Es ist Nachmittag, und Andi und Wlad spielen Schach um Tabak. Seit einigen Tagen machen sie nichts anderes mehr. Ich hab einmal versucht mitzugehen, aber seit ich wie ein Verrückter Kaffee trinke, kann ich mich kaum noch konzentrieren. Ruck zuck sind bei mir die Figuren weg, und so viel Tabak hab ich nicht, dass ich mir leisten könnte, das mal in Ruhe zu üben.
    »Bist du hektisch wie ein Frau«, sagt Wlad immer.
    Da wird plötzlich die Tür aufgestoßen, und ein ganz sonderbarer Mensch kommt rein. Der Optik nach ist er Kurde, gekräuselte Haare, kleines Bäuchlein, Körpergröße einssiebzig, Ohrenspannweite einssiebzig. Er sieht aus wie seine eigene Karikatur.
    Er steht in der Tür und ruft: »Hey, ihr Chivatos!«
    Da steht der Andi auf, stürzt auf den Kleinen zu und schnappt ihn sich. Der Andi hat riesige Arme, und als er den Typen im Schwitzkasten hat, kann man von dem kein Gesicht mehr sehen. Sie fangen voll an zu fighten, rollen über den Boden, der Abu steigt noch mit ein und schlägt dem Kurden auf den Oberschenkel. Aber man sieht, dass die sich kennen und es Spaß ist. Nach ein paar Minuten beruhigen die sich wieder.
    Ich geh zu dem zerdrückten Kleinen hin: »Hallo, der Oli.«
    Und er: »Ich bin der Gonzo.«
    Der Gonzo kennt den Andi und den Abu aus Atzleben, wo er auch wegen Drogen saß. Er ist grade frisch von dort angekommen. Das war sozusagen deren Wiedersehen.
    »Diese verdammten Chivatos«, sagt er immer wieder.
    Du siehst sofort, mit dem wirst du ’ne Menge Spaß haben. Auch während die ihn geboxt haben, hat der nur gelacht. Körperlich ist er uns allen unterlegen, aber egal, wo ich ihn die nächsten Tage treffe, er nimmt immer volle Kampfposition ein.
    »Hey, Chivato«, sagt er, als er beim Frühstück in der Schlange steht, »gibst du mir mehr Wurst?«
    »Hey, Chivato«, sagt er beim Mittag, »was ist denn mit dem anderen Hähnchenschenkel passiert?«
    Dann muss er wieder lachen.
    Der Gonzo ist ein absolutes Schlitzohr, ein Gauner, wie er im Bilderbuch steckt, nur Scheiße im Kopf, aber man kann ihm nie böse sein, weil er diesen unglaublichen Humor entwickelt hat, auch was das Wegstecken eigener

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