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313

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Titel: 313 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Tewaag
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fangen sie an, Anliegen und Beschwerden zu schreiben, weil sie sich anders nicht schützen können. Das sind Schreibtischtäter, die schreiben dich in Grund und Boden. Du kannst im Gefängnis ohne Probleme von jemandem ’ne Anzeige kriegen, und der Sache muss dann nachgegangen werden. Das ist saugefährlich. Die Beamten können ihre Sterne verlieren, ihren Dienstgrad, die haben ja auch Akten, in denen alles eingetragen wird. Im Endeffekt mögen die mich und den Andi viel mehr, aber sie stufen den anderen als viel gefährlicher ein. Mit Leuten wie uns können die immer reden. Wenn ein Beamter Scheiße baut, wüssten die, wir würden den nicht verpfeifen. Bei dem können sie sich nicht sicher sein. Jemand, der so ’ner Kleinigkeit wie den T-Shirts nachgeht, muss nur erfahren, dass einer Drogen oder andere Substanzen vertickt, und schon hängt der sich da dran. Und wenn die Beamten dem dann nicht nachgehen, kriegen die auch ’ne Anzeige. Was der mit dem Stift anstellen kann, ist also für alle richtig gefährlich. Die meisten Gefangenen machen so einen Scheiß nicht, weil die von Anzeigen die Schnauze voll haben. Hau mir ab mit Beamten, hau mir ab mit Anzeigen und hau mir ab mit Anliegen – Ruhe! Aber die Kinderficker sind ganz anders drauf.
    Auf einmal haben wir also die Situation, dass wir Essenausgeber uns mit dem Vorarbeiter auf der Kammer im Knast duellieren. Natürlich ist die Kammer für uns superwichtig, auf der anderen Seite können wir uns so was nicht gefallen lassen.
    Als wir mit dem Frühstück auf die 3. Station kommen, müssen der Andi und ich uns da gar nicht weiter absprechen. Normalerweise hast du beim Frühstück immer drei, vier Sorten Wurst zur Auswahl, Schwein, Rind und noch Pute oder so was. Die Gefangenen können schon auch sagen, wenn sie irgendwas nicht wollen, aber wo jetzt gerade der Kinderficker kommt und nichts ahnend um Salami bittet, werf ich ihm doch glatt die verkackte Mortadella auf den Teller. Er guckt überrascht.
    Ich geh ihn gleich an: »Is was?«
    Und er: »Ja, ich hab doch gesagt, ich hätte gerne Salami.«
    Aber der Andi: »Jetzt haste halt was anderes.«
    Und ich: »Noch Fragen?«
    Aber da schaut der Hopp zu uns rüber. Mit der Zeit kriegt so ein Beamter ein ganz feines Gespür dafür, wenn sich irgendwo was zusammenbraut. Jedenfalls ist klar, dass der Kinderficker von nun an bei jedem Essen das absolute Minimum bekommt. Die beschissenste Kartoffel, die kleinste Möhre, das behindertste Stück Fleisch liegen am Ende immer auf seinem Teller.
    Es dauert zwar ein paar Tage, aber dann scheint der Holger kapiert zu haben, dass hier ein kleiner Krieg im Gange ist, denn als der Wlad das nächste Mal runter auf die Kammer geht, um das Paket, das für ihn angekommen ist, und gleich die weißen Unterhemden, die er bestellt hat, abzuholen, bekommt er plötzlich beides nicht. Der Holger steht total froh hinter seinem Tresen.
    Er so bedauernd: »Da sind mir leider die Hände gebunden.«
    Aber der Wlad wird gleich laut: »Was ist jetzt kaputt?«
    Es stellt sich raus, dass in dem Paket Wlads heiß geliebte extra scharfe Chilisoße drin war. Damit badet er seit Wochen seine Lebensmittel, nie gab es deswegen Ärger, jetzt hat dieser verpisste Kinderficker seinen Kammerbeamten drauf hingewiesen, und auf einmal zählt Chilisoße als Waffe und ist verboten.
    »Anweisung des Kammerbeamten«, sagt der Holger.
    Und Wlad: »Und was ist mit Unterhemd?«
    Darauf der Holger: »Kann ich leider nicht bestellen.«
    Und Wlad: »Ich bleib hier, bis du bestellst, was ich sage.«
    Er ist jetzt total geladen. Du kannst sehen, wie er atmet. Aber was ihn so auf Zinne bringt, ist nicht mal, dass er das Scheißpaket oder die Hemden nicht kriegt, sondern dass man jemandem, der so brandgefährlich ist wie er, allen Ernstes unterstellt, er hätte es nötig, anderen Leuten Chilisoße in die Augen zu sprühen.
    »Passt du auf, wo du hingehst, Freund«, sagt er.
    Er zeigt auf den Kinderficker, als würde er ihn mit dem Finger jetzt an die Wand nageln, aber da kommt der Kammerbeamte.
    »Was ist hier los?«, fragt er.
    Der Kinderficker eingeschüchtert: »Der Häftling hier bedroht mich. Er weigert sich, die Kammer zu verlassen.«
    Da muss Wlad die Sache vertagen.
    Innerhalb weniger Tage spricht sich herum, dass wir mit der Kammer Krieg angefangen haben. Auf einmal bekommen auch Leute, mit denen wir gut bekannt sind, keine neuen Klamotten mehr. Der Abu und der Österreicher laufen wieder in rosa Unterhose rum, und es

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