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34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer

Titel: 34 Meter über dem Meer - Reich, A: 34 Meter über dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annika Reich
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Tasche.
    »Willst du…?«, fragte sie Ella dann beim Rausgehen und zog die Schmetterlinge wieder aus der Tasche, doch Ella schüttelte den Kopf.
    Manchmal beneidete Ella ihre Schwester um diese Montagnachmittags-Klarheit, mit der sie den Umgang mit ihrer Mutter regelte; manchmal beneidete sie ihre Schwester darum, dass sie einen Standpunkt hatte, als könne man so etwas besitzen. Ihr selbst kamen die Standpunkte ständig abhanden, ständig änderte sich ihre Sicht auf die Welt, nie hatte sie das Gefühl, die Welt von oben zu betrachten; immer befand sie sich inmitten eines Lebens, das sich zu schnell veränderte, um einen klaren Standpunkt einnehmen zu können. Und wenn sie jetzt darüber nachdachte: Vielleicht war das mit den Schmetterlingen doch nicht so schlimm gewesen? Sie hätte die Schmetterlinge annehmen können, draußen vor der Tür, stattdessen hatte sie sich von der Mutter verabschiedet mit einem kühlen Kuss auf die Wange, als wären die Berührungen zwischen ihnen genauso geregelt wie der Blechkuchen am ersten Montag im Monat. Und kaum war die Mutter außer Sichtweite, kamen Ella die Tränen. Ihre Mutter war allein. Wieso hatte sie ihre Mutter nie gefragt, wie es ihr damit ging, und ob sie mal zusammen ins Theater gehen sollten?
    Vor Ellas Fenster krachte es. Die Arbeiter von der Baustelle nebenan hatten einen schweren Gegenstand fallen gelassen. Ella fuhr sich durch die Haare, strich sich mit beiden Händen übers Gesicht und stand auf. Vor ihr auf dem Schreibtisch lag noch immer das Bild von Dorothy Parker. »Du vermischst immer alles«, hörte sie die Stimme ihrer Schwester im Ohr.
    Sie griff zum Telefon. Jetzt musste sie Paul doch anrufen – langer stiller Morgen hin oder her.
    »Paul?«
    »Ja?«
    »Hallo.«
    »Hallo. Schön, dass du anrufst. Ich vermisse dich.«
    »Ich…, Holly hat den Blues.«
    »Den Blues?«
    »Meine Haarwurzeln tun weh.«
    »Hast du dich erkältet?«
    »Nein, glaub nicht, aber weißt du: Ich hab gestern einen ganz schlimmen Unfall mit einer Fahrradkurierin gesehen, sie ist mir direkt auf die Füße gefallen.«
    »Ein Unfall?«
    »Ja, sie ist mir direkt auf die Füße gefallen. Ein Lastwagen hat sie angefahren und quer über die Straße geschleudert. Ich bin mit ins Krankenhaus und hab ihr versprochen, sie jetzt regelmäßig zu besuchen.«
    »Ist ihr denn was Schlimmes passiert?«
    »Na ja, ja, sie wird zwei Wochen im Krankenhaus bleiben müssen. Sie hat aus dem Ohr geblutet.«
    »Das klingt nicht gut.«
    »Sie hat keine Freundin«, sagte Ella.
    »Hab ich denn eine?«, fragte Paul.
    Ella schwieg, dann fragte sie: »Kannst du zu mir kommen? Fürs Telefonieren tun mir meine Haare zu weh.«
    »Jetzt gleich?«
    »Geht das? Ich weiß ja gar nicht, was du arbeitest«, sagte sie.
    Sie hatte Paul immer noch nicht gefragt, was er eigentlich genau machte und wo sein Arbeitsplatz war. Noch war sie zu sehr damit beschäftigt herauszufinden, was er eigentlich genau mochte und wo – wer will da nach seinem Arbeitsplatz befragt werden?
    »Es geht«, antwortete er, »ich bin kein Herzchirurg.«
    »Zum Glück«, sagte sie, »ich hab gehört, die koksen alle.«
    »Die Herzchirurgen koksen?«
    »Du bist also keiner«, sagte sie.
    Er lachte: »Nein, ich baue Rahmen, ich hab einen Rahmenladen. In der Brunnenstraße, und genau darüber wohne ich. Möchtest du zu mir kommen? Wir kümmern uns erst um dein Herz und deine Haarwurzeln, und danach erzählst du mir die Geschichte aus dem Krankenhaus.«
    »Könntest du auch zu mir kommen?«
    »Ich bin gleich da«, sagte er und legte auf.
    Ein Rahmenbauer, dachte sie, ein Rahmenbauer, der sich kein Bild macht.

7
    Es klingelte, kurz nachdem Ella sich eines ihrer grünen Bänder ins Haar gezogen hatte und in ein neues T-Shirt und eine frisch gewaschene Jeans geschlüpft war. Sie öffnete die Wohnungstür einen Spalt, lehnte sich an die Wand im Flur und lauschte Pauls Schritten. Zuerst ein langsames Steigen, dann zwei Treppen auf einmal, dann noch einmal, dann ein Zögern vor der Tür, dann stand er vor ihr und nahm sie in den Arm.
    »Können wir gleich…«, flüsterte sie an seinen Hals.
    Er lächelte, schob seine Fingerkuppen in ihre Haare und streichelte ihre Kopfhaut. Es knisterte. Die Kopfhaut ist der einzige Ort am Körper, an dem man Berührungen gleichermaßen hört wie fühlt. Ella seufzte.
    Er schaute sie an: »Was ist?«
    »Das waren meine Haarwurzeln. Sie gehen gerade in die Knie, streichen die Segel, haben sich ergeben.«
    Er nahm sie wieder in

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