34° Ost
persönlich habe ihr eingeschärft, Sie sollten gleich auf dem Hubschrauberlandeplatz verständigt werden, dass wir dieses Material haben!«
Tate wollte einfach nicht glauben, dass Liz Adams in einem kritischen Moment so völlig versagt haben könnte – doch vielleicht lag es nicht an ihr, sondern an der Situation selbst. Seit die Meldung vom Absturz des Präsidenten hier in Es Schu'uts eingetroffen war, geriet das Hauptquartier des amerikanischen Kontingents jäh aus dem Gleichgewicht der dienstlichen Routine. Die Tatsache, dass es nicht gelungen war, die Gruppe des Vizepräsidenten auf dem Funkweg zu erreichen, dass weder auf den Olympus-Ruf noch im Klartext eine Antwort erfolgte, hatte die Verwirrung gesteigert. Offiziere und Techniker, die wußten, dass sich Talcott Bailey auf die dringenden Funksprüche nicht gemeldet hatte und auch nicht in der Zentralen Zone angekommen war, taten nun mit düsteren, verbissenen Mienen ihre Pflicht. Die jahrelangen, sorgfältigen Vorkehrungen zur Sicherung der Amtsnachfolge an der Spitze der USA schienen von einer Sekunde zur anderen immer illusorischer, als der Vizepräsident unauffindbar blieb.
General Tate hatte sofort Hubschrauber und Shrikes zu Suchflügen entlang der Demarkationslinie der entmilitarisierten Zone eingesetzt und war entschlossen, die Erkundung in den vorgezeichneten Luftraum auszuweiten, falls während der nächsten dreißig Minuten keine Verbindung mit der Kolonne zustande käme. Vorläufig wurde die Suche noch durch die Dunkelheit behindert. Tate erkannte immer klarer, dass er sich nicht an die Bedingung des Abkommens würde halten können, die absolute Integrität des Luftraums über der Zentralen Zone zu wahren. Viel hing davon ab, was General Gunderssen und die anderen Schweden unternehmen konnten oder wollten. Bisher hatten sie sich bloß auf Beratungen mit dem Hochkommissariat in Zypern, der UNO in New York und ihrer eigenen Regierung in Stockholm beschränkt.
Und nun war Sam in sein Büro gestürzt, mit den Kosmos-Fotos, von denen Tate bis zu diesem Moment keine Ahnung gehabt hatte. Der CIA-Mann schob die Hochglanzvergrößerungen über die Schreibtischplatte und wies auf Stellen, die mit rotem Filzstift umrandet waren. »Diese Bilder wurden gestern am frühen Morgen während der ersten Umlaufbahn von 623 aufgenommen. Eines zeigt unseren Lufthelden Trask, wie er gerade die ›Allende‹ aufs Korn nimmt. Stimmt's?«
Durch einen Blick konnte sich Tate davon überzeugen, dass Donaldson recht hatte. Der Shrike und das sowjetische Schiff waren deutlich erkennbar.
»Sehen Sie sich nun das an.« Sam schubste ihm eine andere Kopie zu. »Diese Personengruppe da wirkt wie ein Trupp harmloser Beduinen – aber das sind Guerillas, General! Sehen Sie den Mann, der eben heraufblickt? Die Israelis haben ihn mit ziemlicher Sicherheit als einen gewissen Enver Leč identifiziert, einen albanischen Offizier.« Er legte eine offene Mappe mit Computerausdrucken neben die Fotos. »Das ist aus unserer Datenbank in Virginia. Wir wissen einiges über Colonel Leč. Korea, Vietnam, Bangla Desh, zurück nach Indochina, als Berater der Roten Khmer. Dann Libyen, Syrien und Irak. Seit zwanzig Jahren macht uns der Kerl zu schaffen wie ein Stachel im Fleisch, und jetzt treibt er sich hier herum! Mit einem arabischen Freischärlerhaufen! In unmittelbarer Nähe des Vizepräsidenten! Und das war gestern morgen.« Er biss die Zähne zusammen und packte mit seinen Pranken die Schreibtischkante. »General, ich glaube nicht, dass Sie Talcott Bailey finden werden. Zumindest nicht lebend.«
Tate betrachtete genau die Vergrößerungen, und Angst schnürte seine Kehle zusammen. Wenn Donaldson recht hatte – und in solchen Dingen hatte er immer recht –, dann waren die Konsequenzen nicht abzusehen. Der CIA-Mann sprach weiter. »Bedenken Sie, General, das sind sowjetische Fotos! Die Russen hatten diese Informationen also bereits gestern morgen. Dazu möchte ich noch folgendes sagen.« Er begann die einzelnen Punkte an seinen kurzen Fingern abzuzählen. »Erstens: Vor zwei Tagen sichtete ein Samos-Satellit eine U-Boot-Spur vor der Insel Schadwan in der Meerenge von Guba. Wir bekamen keine Sonar-Aufzeichnung der Schraubengeräusche, denn die US Navy hat leider kein Geld mehr, um jetzt ein ASW-Geschwader im Roten Meer zu stationieren. Aber so viel steht fest: das Boot gehört zur konventionellen Kategorie. Die Albaner haben noch immer ein Dutzend alter sowjetischer Dieselboote in
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