35 - Sturm über Vallia
im Sinne hatten. Leicht hätte dieser Augenblick gefühlsselig werden können. Statt dessen verzichtete er darauf, seine Gefährten mit blankgezogenem Schwert zu segnen, und sagte nur: »Kämpft heute mit Vox, der euch die Waffen schärfen soll. Möge das Licht Opaz' euch und eure Soldaten begleiten, jeden einzelnen von euch. Remberee!«
»Remberee, Prinz!« sagten sie, dann empfahlen sie sich und machten sich an ihre Arbeit.
Nath der Strenge brachte auf einem Tablett eine Tasse heißen kregischen Tee und einen Silberteller Miscils und Palines – dies alles stürzte Drak herunter, ohne die Leckereien richtig zu genießen. Ihn plagten zahlreiche Zweifel, von denen er allerdings wußte, daß sie beim ersten Trompetenstoß der Schlacht verfliegen würden.
Sorgen um Königin Lust plagten ihn.
Sein kleines Juruk-Jikai, das aus Endrus Schwertwache des Prinz Majisters und Naghans Ergebenen Bogenschützen des Prinz Majisters bestand, würde dafür sorgen, daß er selbst keinen Schaden nahm. Er wußte überdies, daß die verrückten Gardisten seines Vaters, die SWH und die GJH, zwar am liebsten dem Herrscher dienten, sich aber auch ebenso intensiv um den Sohn kümmern würden.
Übrig blieben Leone Sternenhammers Jikai-Vuvushis, die frei waren, sich um die Königin zu kümmern.
Oft hatte er seinen Großvater darüber jammern hören, wie sein Hofstaat ihn bevormundete oder ihm in den Weg geriet, wenn er mit dem Gegner auf Tuchfühlung gehen wollte. Sein Vater, der ein noch wilderer Teufel war, äußerte sich ebenso, und zwar noch nachdrücklicher. Inzwischen verstand Drak, was es mit diesen Kümmernissen auf sich hatte.
Gab er Angehörigen der Leibwachen den Befehl, sich zu verziehen und den rechten Flügel zu verstärken, wie er ursprünglich vorgehabt hatte, würden sie allerlei Gegenargumente vorbringen. Letztlich weigern würden sie sich nicht, doch würden sie in Hiebweite jeder Stelle bleiben, die er während der Schlacht einzunehmen beliebte.
Verdammte Königin Lust!
Im nächsten Augenblick reute ihn seine Gereiztheit.
Sie war eine großartige Frau, die ihr Leben aus vollem Herzen Vallia widmete. Nachdem ihre Heimat von Flutsmännern und Sklavenherren und Aragorn geräumt war – unseligen Einflüssen, die im ganzen bisher unbefreiten Vallia am Wirken waren –, würde sie entscheiden müssen, wo sie wohnen wollte. In Vallia würde sie stets willkommen sein, dessen war sich Drak sicher.
Er leerte seine Tasse aus – das beste Getränk, das ein Mann sich wünschen konnte: guter, ehrlicher kregischer Tee –, nahm eine Handvoll Palines und verließ das Zelt. Den Swods in den Kampfreihen würde man kräftigen Wein reichen – die Soldaten hatten das immerhin verdient.
Vor ihm bewegte sich die Armee wie eine bunte Quiltdecke, die man auf dem Boden ausgebreitet hatte. Er zählte die Formationen ab, sah das Flattern der Flaggen, die Wimpel strahlend im zunehmenden Sonnenschein. Rüstungen und Waffen funkelten. Kapellen spielten auf. Zur Mitte hin stimmten die drei Kerchuris der Phalanx ihr Kampflied an – eine starke, feierliche Hymne. Ab und zu wechselten sie zu einem forschen und gewöhnlich nicht ganz anständigen Lied – fröhliche Verse, von denen sie auf ihrem Weg in die Hölle begleitet wurden.
Rechts von der Mitte marschierten die Ersten Vallianer. Die Mitte wurde von den Zweiten Therminsaxern gebildet. Nach links zu marschierte die Fünfte Drak-Kompanie wie eine kompakte Mauer.
Die Zweite hatte ihren Namen der Stadt entlehnt, in der der Herrscher die Phalanx gegründet hatte. Die Fünfte nannte sich nach einer halbmenschlichen, halb göttlichen Legendengestalt aus der fernen Vergangenheit Vallias.
Die andere Kerchuri der Dritten Phalanx, die Sechste, wurden die Sechste Delia genannt. Am liebsten hätte er Delia heute bei sich gehabt.
Was die Zweite Phalanx anging, die im Nordosten hinter dem Hawkwa-Land stand, so bestand sie aus der Dritten Opaz und der Vierten Velia.
Er versuchte seine Laune in den Griff zu bekommen, während er seine Zorca bestieg, die den Namen Glückliche Kalamität trug. Die Tage nach der Schlacht von Corvamsmot waren vorüber. Alloran hatte dort einen großen Sieg errungen, in Begleitung eines widerlichen Burschen, der seltsamerweise Zankov hieß. Seine Eltern hatten Drak in Briefen vor diesem Zankov gewarnt. In diesem Zusammenhang war die Andeutung besonders beunruhigend, daß seine jüngere Schwester Dayra vielleicht mit den Übeltaten des Mannes zu tun hatte. Es regte sich
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