365 Geile Nacht Geschichten Band 2 Juli
fast nicht wahrnehmbarer Ruf, trotzdem hörte und verstand Mikail ihn. Sein Schloss war einzugsbereit. Mühelos hob er Felix hoch und breitete seine Schwingen aus. Schmale Arme schlangen sich um seinen Hals und eine Nase versteckte sich in seinem Oberteil. Mit einem Flügelschlag befand er sich in der Luft und auf dem Weg nach Hause.
Nach einem einstündigen Flug landete Mikail auf dem Innenhof. In der Mitte wuchs ein Baum, den er vor vielen Jahren selber gepflanzt hatte und der mittlerweile einen großen Teil des Hofes überdachte und die Sonne davon abhielt, den Steinboden zu stark zu erwärmen. Auf der großen Steintreppe, die in das Hauptgebäude führte, knieten rechts und links seine Gefolgsleute, alle mit gesenkten Köpfen und die Engel mit angelegten Flügeln. Damit Felix einen Eindruck von dem Weg bekommen und sich später orientieren konnte, ließ Mikail ihn selber laufen.
„Wir sind im Innenhof und werden jetzt über eine Treppe in das Hauptgebäude gehen“, erklärte er nebenher leise. In der Eingangshalle wandte er sich nach rechts: „Von der Eingangshalle aus kommt man über zwei Treppen in die oberen Etagen, wir durchqueren sie allerdings. Vor uns ist ein großes Tor, hinter dem mein Thronsaal ist. In diesem verbringe ich die meiste Zeit, wenn ich hier bin.“ Ruhig brachte er Felix zu dem Thron und setzte ihn darauf.
Neugierig tastete Felix über den Untergrund, auf welchem er saß und meinte dann: „Unbequem.“ Lachen erfüllte den Raum, ein Lachen, dass Felix einen Schauer über den Rücken jagte. Finger legten sich auf sein Knie, streichelten über den rauen Stoff der Jeans und blieben auf seinem Oberschenkel liegen. Verunsichert biss sich Felix auf die Unterlippe, gab sich schließlich doch einen Ruck und fragte leise: „Darf ich deine Flügel berühren?“ Die Hand von seinem Oberschenkel löste sich. Im ersten Moment dachte Felix, er hätte mit der Bitte alles kaputt gemacht, bis sich eine Hand um sein Handgelenk schloss und es nach vorne zog, bis seine Finger auf etwas Weichem landeten. Behutsam strich Felix darüber, bis er zu den Ansätzen kam, hielt inne, als er das Zittern Mikails wahrnahm.
So nah hatte Mikail schon lange keinen mehr an sich herangelassen, aber die scheuen Berührungen fühlten sich zu gut an, um sie zu unterbinden. An den Flügelansätzen war er wirklich empfindlich und bei jedem anderen war es ihm bisher unangenehm gewesen.
Laut knallte das Tor und ein abgehetzter Dienstbote stand darin, keuchte etwas von „Raphael“, bevor er unter dem eisigen Blick Mikails wieder hinausstolperte. In sich hinein knurrend nahm er Felix auf die Arme und brachte ihn nach oben in sein Schlafgemach.
„Entschuldige Kleiner, aber du musst eine Weile in diesem Raum bleiben. Die anderen Erzengel sollen erst einmal nichts von dir wissen.“ Prüfend ließ Mikail den Blick durch den Raum wandern, auf der Suche nach etwas, wo der Junge sich verletzten könnte. Auf den ersten Blick fand er nichts, trotzdem nahm er sich vor, einen der Engel bei Felix zu lassen, während er mit dem bedeutend jüngeren Erzengel Raphael sprechen würde. Vor der Tür fand er sogleich einen passenden Aufpasser. Sein ältester Wächter verbeugte sich tief vor ihm und nahm mit Freuden den Auftrag an, wohlwissend, was für eine Ehre ihm da zuteil geworden war.
Alleine in dem Raum wusste Felix nicht, was er machen sollte. Langsam streifte er seine Schuhe von den Füßen, erhob sich von dem weichen Untergrund und tastete sich vorwärts. Unter seinen Fußsohlen spürte er einen flauschigen Teppich, der das Geräusch seiner Schritte schluckte. Mit den Händen tastete er nach Hindernissen, fand nach geraumer Zeit wirklich die Wand und folgte ihr.
Zuerst ertastete er einen großen Kleiderschrank mit den Händen und nur wenig später mit seinen Zehen einen Hocker. Das Gesicht verziehend ließ sich Felix auf den Boden sinken und hielt sich die schmerzende Zehe. Fast nicht spürbar legten sich Finger auf die verletzte Stelle und der Schmerz verging langsam. Verängstigt verharrte Felix und wartete ab.
„Ganz ruhig. Ich bin nur hier, weil der Herr möchte, dass jemand auf dich aufpasst. Vor mir brauchst du definitiv keine Angst haben.“ Noch während des Sprechens entfernte sich der Mann von Felix und gewährte dem Jungen etwas Abstand, blieb aber im Raum und bemühte sich, Geräusche zu machen, anhand derer Felix ihn orten konnte. Nachdem ein paar Minuten lang nichts passiert war, nahm Felix die Erkundung erneut
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