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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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meist noch beim
Knall die Augen zugemacht. Die Chancen stehen etwas ungünstig. Und ich gestehe,
daß ich Angst habe — ganz lächerliche, gewöhnliche Angst. Aber mein Vater sagte
immer: ›Angst hat jeder. Hauptsache, man reißt sich zur rechten Zeit am Riemen‹.
So, schönste Gastgeberin. Nun reichen Sie mir noch einen Schnaps. Auf zwei
Beinen kann ein Besoffener nicht stehen. Und dann entweiche ich, ehe Sie lange
auf mich einreden. Behüten Sie Herrn Mink gut. Sie werden erfahren, wie die
Geschichte ausgeht, entweder durch mich oder durch die Zeitung.«
    Er stand auf. »Ich trinke den
letzten Schluck auf uns beide. Auf mich, damit ich ein bißchen Glück habe, und
auf Sie, weil Sie die erste Frau sind, die zuhören kann und keinen Quatsch
redet. Prost.«
    Dann setzte er das Glas nieder
und ging zum Flur. Der Hund sprang ihm nach und lief hinaus. Marohn kam zurück,
die Windjacke an und den Hund auf dem Arm. Julia ging ihm bis zur Tür entgegen.
    »Hier«, sagte er und gab ihr
den sträubenden Hund auf den Arm. »Hier haben Sie die eine Hälfte meines
Vermögens.«
    Sie hielt den Hund krampfhaft
fest. Um ihre Mundwinkel zuckte es. »Fräulein Julia«, fragte er leise, »was ich
noch sagen wollte... glauben Sie mir, daß mir seit heute die Reise nach München
noch viel schwerer fällt als vorher? Glauben Sie es nun?«
    Sie nickte.
    »Julia... darf ich Sie küssen?«
    Sie nickte wieder, wortlos. Er
faßte behutsam ihren Kopf mit dem seidig glänzenden kurzen Haar, berührte ihre
Lippen und spürte beseligt, wie ihr Mund sich an den seinen preßte. Ihre Augen
hafteten fest in den seinen, als er zurücktrat. Er streichelte den Hund, der
leise winselnd seine Hand leckte, als wüßte er, was dieser Abschied bedeutete.
Dann trat er schnell hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Auf der Treppe
hörte er das markerschütternde Geheul des Hundes. Er biß auf die Zähne und ging
weiter.
     
     
    In der folgenden Nacht schlief
Julia schlecht. Ihre Gedanken kehrten wieder und wieder zu dem langen Mann mit
den hellen Haaren zurück, und sie ertappte sich dabei, wie sie krampfhaft für
ihn nach einem Ausweg suchte. Was ging sie das alles an? War sie in ihn
verliebt? Wahrscheinlich. Sie seufzte. Wenn es schon einmal zu stimmen schien,
dann mußte so ein Irrsinn dazwischenkommen. Und Irrsinn war es. Aber was sollte
sie dabei tun? Komisch — nun brachte ihr der Urlaub gar keinen Spaß mehr. Jetzt
würde sie warten und untätig sein, bis sie Gewißheit hatte. Sie drehte sich auf
die Seite, knipste ihre Nachttischlampe an und stützte den Kopf in die Hand.
Der Hund hatte sich beruhigt, er lag lang ausgestreckt an der Tür, als lausche
er auf jeden Schritt, und manchmal hob er die Schnauze und zog die Luft ein.
Wie das erstickte Weinen eines Kindes klang es.
    Der Morgen dämmerte, und sie
war unschlüssig und ratlos wie zuvor. Jetzt mußte er schon in München sein.
Wenn alles gut ausging oder sich in Wohlgefallen auflöste — ob er sie wohl
gleich anrufen würde? Wenn die Tür sich auftäte, und er käme herein — was würde
sie tun und sagen?
    Sie wußte es: ihm um den Hals
fallen. Sie bemerkte mit Erstaunen, daß sie bisher kaum daran gedacht hatte, er
könne nicht wiederkommen. Aber wenn ihm nun wirklich etwas passierte? Die
Geschichte war zu ausgefallen, sie mutete zu grotesk an für einen modernen
Menschenverstand. Er hatte sie erzählt, wie man die Kolportagehandlung eines
Kriminalfilmes wiedergibt, selbstironisch und so unbeteiligt wie der Zuschauer
vor der Leinwand, der sich vor den Geschehnissen sicher weiß.
    Sie lächelte zärtlich. Er
konnte so nett erzählen und so dumme Sprüche machen. Wenn er auf einmal nicht mehr
da sein sollte — sie durfte nicht daran denken. Sie haßte plötzlich den
anderen, den sein Haß und seine Niederlage trieben. Hätte er sich seine Frau
doch vorher angesehen. Aber, freilich, wer will über andere zu Gericht sitzen?
Sie selbst liebte den Mann ja auch, den die andere sich genommen hatte.
    Ach, es war zum Haareausraufen.
Ihre Gedanken tasteten das Gebäude der Ereignisse ab. Was konnte man tun? Ein
flüchtiger Schimmer brach in ihre Überlegungen ein, verschwand und kehrte
wieder, blieb und wurde hartnäckiger, als hätte er längst unter der Oberfläche
gekreist und wäre nun um so unwiderruflicher ins Bewußtsein getreten.
    Ja, das konnte sie tun! Peter
konnte sie nicht hindern! Er würde furchtbar wütend werden; sollte er! Sie
mußte zu Randolph, mußte mit ihm sprechen. Wenn es

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