4 Meister-Psychos
bereitet haben, ihren Mann mit ihrem Liebhaber zu
konfrontieren. Nach meiner Abkommandierung kam er wieder. Es gab einen
furchtbaren Auftritt um die fehlende Pistole und dabei schrie sie ihm die
Wahrheit entgegen.«
Marohn trank das zweite Glas
aus. Julia tat nichts und sagte nichts.
»Er schrieb an mich und leider
auch an meinen Vater, der damals einen Fliegerhorst in Belgien kommandierte.
Ich war seinerzeit noch nicht Offizier, aber ich mußte meinem Vater
versprechen, der Sache nicht aus dem Wege zu gehen. Randolph schwor, eines
Tages Genugtuung zu verlangen. Ich kam dann an eine andere Universität und habe
ihn bis heute nicht wiedergesehen. Sie hat mich noch mehrmals besucht. Nach dem
Kriege erhielt ich Nachricht von ihr aus München. Er hatte dort eine
chirurgische Praxis eröffnet, sie waren zusammengeblieben. Sie schrieb, es wäre
so noch immer das vernünftigste für beide. Er erfuhr meine Adresse auf
irgendeinem Medizinerkongreß. Hier, lesen Sie seinen letzten Brief.«
Er nahm einen Umschlag aus
seiner Brusttasche. Julia las!
Dr. Kurt Randolp
Chirurg
München 23, 11.6.51
Giselastraße 29
Herr Kollege Marohn!
Falls Sie im unklaren sein
sollten, ob ich mich an die Vorfälle des Jahres 1942 noch erinnere, möchte ich
Sie von Ihren Zweifeln befreien. Ich bin nach wie vor entschlossen, die
Geschichte mit Ihnen ins reine zu bringen. Sie sind im Augenblick für mich
nicht erreichbar. Ich erwarte von Ihnen, daß Sie sich im Augenblick einer
Veränderung Ihrer Lage mir zur Verfügung stellen. Sie können versichert sein,
daß ich meinerseits im Falle einer Vereinigung Deutschlands sofort ein
Zusammentreffen herbeiführen werde. Ich halte nichts vom Anruf und der
Entscheidung irgendwelcher Standesinstitutionen. Andererseits können Sie mir
aufs Wort glauben, daß ich vor einer außergesetzlichen Regelung durchaus nicht
zurückschrecke. Meine Pistole werden Sie ja vielleicht noch haben.
Julia las die energische
linksgeneigte Unterschrift und blickte auf.
»Ich habe sie tatsächlich
noch«, sagte er. »Ich ließ sie vor Kriegsschluß bei einem Bekannten in
Westberlin, den der illegale Waffenbesitz nicht weiter erschütterte. Eine
russische Naganpistole, die er irgendeinem toten Kommissar abgenommen hat. Mich
wundert nur, daß er nicht auch Minenwerfer und Torpedos gesammelt hat. Es ist
eine verfahrene Geschichte, Julia. Ich muß zu ihm gehen, ich kann nicht
kneifen, schon wegen meines Vaters nicht. Und Randolph erführe eines Tages, daß
ich hier bin, und fände mich. Ich kenne ihn. Tyrann mit
Minderwertigkeitskomplexen. Er verzeiht niemals, daß ihm das passiert ist. Ich
weiß noch, wie abfällig er über die Leute sprach, die sich mit Ausländerinnen
abgaben. Er hatte nur sein treues Weib im Sinn. Und er will mich demütigen, ob
er mich nun als Feigling hinstellt oder zum Krüppel schießt. Da ist mir das
letztere noch lieber. Ich habe mir alles hundertmal hin und her überlegt. Die
Schießerei liegt seiner Art mehr als juristische Streitereien. Das Duell ist
verboten. Wird einer von uns oder werden alle beide verwundet, halten wir
natürlich das Maul, wenn es irgend geht. Verzeihen Sie! Bleibt er am Leben, hat
er bedeutend mehr Aussichten, heil herauszukommen, als ich, wenn ich
übrigbleibe. Mir nützt es gar nichts, wenn ich gewinne. Soll ich irgend
jemanden um Schutz bitten und ihm mein Unglück vorjammern? Gut, er kann
inzwischen eingesehen haben, daß dieser Weg zu nichts führt und die Zuneigung
seiner Frau nicht wiederbringt oder nicht vermehrt. Aber hin muß ich erst mal,
und zwar sofort.«
Julia rührte sich nicht, aber
sie konnte nicht verhindern, daß eine wachsende Erregung ihrer Herr wurde.
»Ich bin kein Held, Julia. Aber
ich möchte kein Feigling sein. Frauen lachen oft über das überflüssige
Heldentum der Männer. Einen Feigling möchte keine richtige Frau. Sie etwa?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Sehen Sie. Ich wollte, dieser
Blödsinn wäre nicht passiert. Aber schon allein seine Frau muß mir wert sein,
daß ich ihm nicht ausweiche — wenn sie auch eine Schlange war, die ich arglos
an meinem Busen genährt habe, so möchte ich doch die Zeit mit ihr nicht
missen.«
Julia wollte lächeln, aber es
gelang ihr nicht.
»So werde ich heute abend meine
Reise antreten. Überflüssig zu sagen, daß er mit Schußwaffen im Schlafe umgehen
kann. Er schießt auf zehn Meter das As aus der Karte. Ich habe im ganzen Krieg
ein paar Schüsse auf die Scheibe abgegeben, und da habe ich
Weitere Kostenlose Bücher