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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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irgend
etwas zu unternehmen.
    Sie blieb an einer Kreuzung
stehen, wartete geduldig auf das grüne Licht, hatte keinen Blick für die
Umgebung und sah nicht, wenn der bewundernde Blick eines Mannes sie streifte.
Sie ging langsamen Schrittes zur anderen Seite, als der Wagenstrom abriß. Ein
Herr im Trenchcoat überholte sie, ihr Blick ging achtlos über ihn hinweg,
wandte sich ihm dann nochmals zu, als er schon vorüber und einige Meter
entfernt war. Der schwache Schimmer einer längst untergetauchten Erinnerung
glomm in ihrem Unterbewußtsein, zu schwach, um sofort die Erleuchtung zu
bringen, zu stark, um wieder zu verlöschen. Was war es nur?
    Ihr Blick heftete sich auf den
Rücken des Mannes, unwillkürlich beschleunigte sie ihren Schritt, so daß sie in
gleichem Abstand blieb. Krampfhaft rief sie die Ereignisse der letzten Tage in
ihr Gedächtnis zurück. Ihr war plötzlich, als habe sie etwas Entscheidendes
vergessen, etwas ungeheuer Wichtiges. Wie kam sie gerade jetzt darauf?
    Und dann durchfuhr es sie wie
ein Schlag, eine blitzartige Erkenntnis: die Schuhe!
    Die Schuhe aus dem Paternoster!
    Flache, hellgelbe Sandalen aus
abgewetztem, brüchigem Leder, wie sie sie noch nie gesehen hatte, sandfarben
und altmodisch!
    Das waren sie, der Mann vor ihr
trug sie an den Füßen, und sie zitterte vor Aufregung und Dankbarkeit. Zehn
Minuten nach acht war er im Paternoster heruntergekommen, als sie gerade hinauf
fahren wollte!
    Wie hatte sie das nur vergessen
können! Peter, dachte sie, Peter, ich habe ihn! Sie holte tief Luft und zwang
sich mit Gewalt zur Ruhe. Jetzt kam alles darauf an, ihm unauffällig zu folgen
und herauszubekommen, wo er wohnte und wer er war. Sollte sie einen Polizisten
rufen? Sie verwarf den Gedanken so schnell, wie er gekommen war. Nein, es gab
Aufsehen, sie konnte nichts beweisen, und der Mann war gewarnt. Sie mußte ihm
nach!
    Sie vergrößerte ihren Abstand
noch etwas mehr und schlenderte gleichmütig dahin, ängstlich bemüht, ihr Opfer
nicht aus den Augen zu verlieren. Jetzt verstand sie, was Jagdleidenschaft ist!
Hoffentlich sah er sich nicht zu oft um, Herrn Mink konnte er ja auf die Dauer
nicht übersehen. Aber er tat es nicht. In gleichmäßigen Schritten ging er durch
die Straßen, blieb zuweilen stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden oder in
ein Schaufenster zu sehen, wie ein Mensch, der nichts vor- und nichts zu
versäumen hat.
    Julia tat, als interessiere sie
auf der Welt nichts so wenig wie der Mann vor ihr, aber ihr entging keine
seiner Bewegungen. Wenn Nogees sie sehen könnte!
    Der Spaziergänger im Trenchcoat
blieb unschlüssig an einer Kreuzung stehen und sah nach beiden Seiten die
Straße hinunter, während Julia vor einem Schaufenster die neuesten
Frühlingsmodelle bewunderte und dabei verzweifelt zur Seite schielte. Jetzt
wandte er sich nach links, und sie folgte vorsichtig. Die Straße verlor an
Pracht und glänzenden Auslagen, verengte sich. Sie hatten das Zentrum verlassen
und gerieten tiefer und tiefer in ein schlichtes Wohnviertel, wo die Kinder
spielten und Rollschuh liefen und die Hausbewohner aus den Fenstern hingen.
    Aber Julia hatte für diese
sozialbedingten Unterschiede des Stadtbildes kein Auge, sie sah nur ihren Mann
und seine Schuhe. Er ging um die Ecke in eine Nebenstraße, überquerte sie und
schritt auf ein kleines, verstecktes Lokal zu, über dessen Eingang der
Hofbräukrug freundlich lockte und dessen Speisekarte in Gestalt einer kreidebeschriebenen
Tafel — allen Hungrigen sichtbar — die Genüsse der Küche verriet.
    Julia blieb an der Ecke, den
Hund auf dem Arm, stehen. Der Mann stand zögernd vor der Tafel, überlegte, las
noch einmal und trat dann mit entschlossenem Schritt durch die Tür.
    Julia umklammerte den Hund und
überlegte. Was tat ein Mann in einer Kneipe? Essen und Bier trinken, etwas
anderes kam kaum in Frage. Und es war Mittagszeit. Sie konnte entweder warten,
bis er wieder herauskam, oder Nogees anrufen. Aber wenn er fortging, ehe der
Kommissar kam? Wie sollte er sie dann finden? Ganz gleich, sie mußte es
riskieren, er mußte eben sofort kommen!
    Sie lief um die Ecke, ja dort
hinten stand eine Telefonzelle, hoffentlich hatte sie zwei Groschen. Sie suchte
im Gehen, warf in ihrer Handtasche alles durcheinander. Kein Kleingeld, nur
größere Münzen! Natürlich, es mußte ja so sein! Verzweifelt sah sie sich um,
dort war ein Zigarettenladen, sie trat von einem Bein aufs andere, während der
brummige Alte unsäglich langsam die Groschen

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