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4 Meister-Psychos

4 Meister-Psychos

Titel: 4 Meister-Psychos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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artig.«
    Ich wußte schon, wie man sie
locken konnte. Es hielt nur nie lange vor, das Artigsein.
    Das Bier schwand dahin. Ich gab
Tessa einen feuchten Kuß und ging durch die Garderobe und hinaus. Der Fahrstuhl
sank hinab, sanft wie eine Flaumfeder. Es war ein sympathisches Haus, wo keiner
sich um den anderen kümmerte und wo die Isolierung ausreichte, daß die Nachbarn
bei einer kleinen Feier nicht pünktlich um zehn anfingen, gleichzeitig gegen
Wände, Decke und Fußboden zu klopfen. Gemächlich stieg ich in Tessas niedlichen
Sportwagen und dachte an das, was mich erwarten würde. Ich war schon oft an dem
vermaledeiten Paketschalter gewesen. Tessa bekam viele Pakete, von Mara, von
ihrem Vater aus England, sonstwoher. Fast immer landeten sie wieder auf dem
Postamt, weil niemand öffnete, und dann spielten wir Schere und Papier. So wie
heute.
    Ich trödelte langsam durch den
Verkehr und bedauerte die Leute, die es fürchterlich eilig hatten. Vermutlich
wollten sie zum Fernsehen. Einen Parkplatz fand ich nicht, auch daran war ich
gewöhnt. Ich fuhr in den Hinterhof des Postamtes, verbotenerweise, aber der Pförtner
kannte mich und nahm die Zigaretten gern.
    »Wieder mal ein Paket«, sagte
ich.
    »Aha. Fürs Fräulein?«
    »Fürs Fräulein. Ich bin nur der
Briefträger. Wenn ich ganz pleite bin, laß ich mich bei euch anstellen.« Ich
klemmte den Wagen neben einen gelben Postkombi und ging durch den Torweg hinaus
und vorn herum herein. Die Schlange mißmutiger Leute lauerte vor dem Schalter
fünf, wie vor einem Obstladen im Krieg. Es war heiß wie in einer Lokomotive.
    Der Mann hinter der Barriere
bewegte sich, als wäre ihm das Gelenkrheuma angeboren und als ginge er außerdem
durch Kunsthonig. Dafür fand der davor seinen Personalausweis nicht und flehte,
ihm zu glauben, daß er der Windelbacher Alois aus der Kanalstraße sei. Es half
nichts, er mußte weitersuchen und fand dann den Ausweis endlich in seiner
Zigarettenschachtel. Die Dame hinter mir ächzte und roch dabei intensiv nach
Anchovispaste. Alle anderthalb Minuten rückten wir vor, aber ich vertrieb mir
die Zeit damit, an Tessa zu denken, an Schere, Papier und Figur. Bei nur noch vier
Vorderleuten erschien ein Schwerbeschädigter und wurde vorgelassen. Hoffentlich
kam nicht noch die ganze Veteranenkameradschaft.
    Nach rund zehn Minuten war ich
dran. Der Rheumamensch nahm meinen Zettel und schlich davon. Er kam nicht
wieder. Möglicherweise hatte er das Amt unauffällig verlassen und war ins
Wirtshaus gegangen.
    Als er doch wiederkam, hielt er
meinen Zettel mit Widerwillen wie einen Einberufungsbefehl. »Das Paket ist
nicht da. Das ist noch beim Zusteller.«
    Auch hier wußte ich schon
bestens Bescheid. »Wir haben die Benachrichtigung seit vorgestern. Aber die
Dame hat einen Doppelnamen. Teresa Strong-Waldau. Kann also unter S stehen oder
unter W. Daran wird’s liegen.«
    Er sah mich an mit dem Blick
eines sterbenden Hundes, verschwand abermals zwischen den Regalen wie das
Kasperle in den Kulissen. Ich wartete auf den Plumps, mit dem er tot
niederfallen würde. Auch die Anchovisdame hinter mir schien der Auflösung nahe
zu sein.
    Dann bekam ich mein Paket.
    Es war ein Würfel, Kantenlänge
etwa vierzig Zentimeter. Gar nicht so klein. Gelbes Packpapier. Verschnürung
etwas unordentlich. Viele Knoten. Eine säuberlich getippte Aufkleberadresse auf
jeder Seite.
    Fräulein Tessa Strong-Waldau.
    Absender: Tamara Strong-Waldau.
    Ich bedankte mich höflich,
trotz meines Zorns im Herzen. Alles klebte am Körper ringsherum. Ich trottete
über den Hof. Die rechte Überraschung fand ich erst im Wagen. Dort herrschte
eine Temperatur, wie sie wohl nur durch die auf der Sonnenoberfläche mäßig zu
übertreffen war. Hoffentlich war der Inhalt des Pappwürfels schön zerlaufen.
    Ich bedankte mich bei dem
Pförtner, fuhr los und steuerte trotzerfüllt eine Bierhalle an. So viel Zeit
mußte eigentlich sein. Hier war ein größerer Parkplatz. Das Paket nahm ich aber
doch mit und ließ es nicht in der Hitze. Man sollte nichts übertreiben.
    Ein paar arme Irre saßen im
Garten herum und sahen zu, wie ihnen Blätter samt Blattläusen ins warme Bier
fielen. Ich zog mich ins Innere des Gebäudes zurück. Es war leidlich kühl hier,
die Kellnerin hatte wenig zu tun und kam alsbald. Ich erhielt einen Liter
kalten Bieres und trank ihn zu drei Vierteln aus auf den ersten Ansatz. Durch
den Qualm einer Zigarette starrte ich das Paket an, das neben mir auf dem Stuhl
lag.
    Mara. Hm.

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