40 - Invasion von Scorpio
vor Abscheu geradezu triefend.
»Du schlägst ihm am besten vor, daß sie es außer Lord Farris keinem anderen sagen. Sonst erleben wir hier nämlich eine Invasion.«
»Ich verstehe nicht ...«
»Egal. Jetzt, mein Junge, tu deine Arbeit ... Und mein Dank sei dir gewiß.«
»Ich werde etwas mehr Platz brauchen.«
»Natürlich.« Die saubere, frische Luft Kregens, die nur streckenweise von den Flußgerüchen beschmutzt wurde, wehte mir in die Nase, als wir an Deck gingen. Ich atmete tief ein. Bei Vox! Der junge Halunke von einem Zauberer aus Loh würde sich um meine Weiterreise kümmern und dafür sorgen, daß ich wieder nach Tsungfaril gelangte. Zurück zu Mevancy, Llodi und allen anderen, zurück zu Intrigen, Gefahr und Tod. Jetzt, da er sich entschlossen hatte, ging er es lebhaft an.
Wir fanden eine freie Stelle hinter einem baufälligen Warenlager, wo der Boden nicht zu lehmig war. Hier hielt sich niemand auf, und niemand konnte uns belauschen, ohne entdeckt zu werden. Ra-Lu-Quonling schloß die Augen, öffnete sie weit, bog die Finger, atmete dreimal tief durch und sagte: »Richtig.«
Er hockte sich nieder und hob die Hände vor die Augen, warf den Kopf zurück und blieb stumm und unbeweglich so sitzen. Ich beobachtete ihn kritisch. Er fing an zu zittern, der geschmeidige junge Körper unter der gelben Tunika bebte. Langsam zog er die Hände übers Gesicht. Die Augäpfel waren völlig nach hinten gerollt, so daß die Augen nur noch weiße Flecken in dem gebräunten jungen Gesicht waren. Sein Atmen ließ nach. Ruhig erwartete ich die nächste Phase dieses Prozesses. Mit einem unterdrückten Schrei, einem Keuchen, das von körperlichem Schmerz kündete, kam Ra-Lu-Quonling taumelnd auf die Füße. Das Zittern hörte auf. Die Arme hoben sich, bis sie fast horizontal abstanden, und wie eine Vogelscheuche, die vom Wind erfaßt wird, drehte er sich, schneller und immer schneller; ein wirbelnder Derwisch, der im Lehm kreiselte. Abrupt hörte die Bewegung auf. Er sank in die Hocke und legte die Hände flach auf den lehmigen Boden. Der Kopf kippte in den Nacken.
Ra-Lu-Quonling öffnete die Augen, nicht beide auf einmal, sondern erst das eine, dann das andere. Er starrte mich unglücklich an. Ich erinnerte mich an das erste Mal, als ich Zeuge wurde, wie ein Zauberer aus Loh sich ins Lupu versetzte. Damals hatte ich schon über die Idee an sich höhnisch gelacht; damals, als der gute alte Seg und ich so verzweifelt nach Delia suchten. Dem schwachen und nicht sehr fähigen Zauberer aus Loh Lu-si-Yuong war es nicht gelungen, sie für mich zu finden – und ich hatte mich dagegen gewehrt, daß sie tot sein sollte, so wie jeder sagte! –, aber er hatte vor der Gefahr gewarnt, in der sich Thelda befand. Es war ein alter Mann gewesen; dieser forsche Bursche hier war jung. Und doch benutzten beide fast gleiche Methoden, um sich ins Lupu zu versetzen. Deb-Lu oder Khe-Hi versetzten sich ins Lupu und wandelten kreuz und quer über die verschiedenen okkulten Ebenen Kregens, wie Sie oder ich eine Tür öffnen, um von einem Zimmer ins nächste zu gelangen.
Dieses Geschick in der Thaumaturgie konnte seine Fremdartigkeit nicht verbergen, jene gänsehauterregenden Ungeheuerlichkeiten, zu denen diese Magier fähig waren.
Allerdings mußte man zugeben, daß Deb-Lu Schwierigkeiten gehabt hatte, nach Süd-Loh vorzudringen. Aber ich war zuversichtlich, daß Nath der Geschickte, wie er sich nannte, Khe-Hi erreichen würde. Auch wenn ich nicht wußte, in welchem Teil von Loh sich Whonban befand, konnte es doch nicht allzu weit von hier entfernt sein, oder?
Quonling starrte mich an. Er hätte nun eigentlich das Lupu wieder verlassen müssen, nachdem er die Nachricht weitergegeben hatte. Er fing an zu zittern. Ich runzelte die Stirn. Daran konnte ich mich nicht erinnern. Er öffnete den Mund.
Eine rasselnde strenge Stimme, ein tiefer Baßton, kam aus dem Mund des Jungen. »Ich sehe ihn. Das also ist der Bursche ...« Die Augen des Jungen fixierten mich brennend. »Nachdem du deine Lehrer mit Verachtung behandelt hast, besitzt du die Unverschämtheit, deine lückenhaften Kenntnisse einzusetzen! Du solltest mittlerweile wissen, daß der Rückweg für dich schwierig ist, sehr schwierig. Geh jetzt ...«
Quonlings junge Gesichtszüge verzogen sich, seine Zunge schoß heraus, um die Lippen zu befeuchten, und ich erkannte, daß er versuchte, mit dem Besitzer der strengen und gnadenlosen Stimme zu sprechen.
»Ich bin ein Whonbim!« Seine
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