41 Rue Loubert: Kriminalroman (German Edition)
drapierten Windspiele und Anhänger, die im leichten Sommerwind fröhlich vor sich hin klimperten, schnitten die schönsten Blumen aus den Trögen und verteilten sie dekorativ in den Vasen. Dazwischen wurden noch Lavendel- und Rosmarinzweige aufgelegt, sodass kaum ein Marktbesucher an dem geschmackvoll gestalteten und aromatisch duftenden Marktstand vorbei gehen konnte, ohne zumindest einen anerkennenden Blick auf die Ausstellungsstücke zu werfen.
Als alles ansprechend dekoriert war, machten es sich Louise und die Witwe auf zwei Klappstühlen hinter dem Stand bequem und begannen mit der Abrechnung der Erlöse, die sich aus den Verkäufen während der Woche ergeben hatten.
Louise bezahlte der alten Witwe ihren Lohn, legte noch einige Scheine extra dazu und schickte sie für ein paar Stunden nach Hause. Wie immer strahlte diese ob Louises Großzügigkeit über das ganze Gesicht und versicherte, dass sie pünktlichst um fünf Uhr am Nachmittag wieder zur Stelle sein würde, um Louise beim Zusammenpacken vor ihrer Rückfahrt nach Paris zu helfen.
Es war noch früh am Tag, keine potenziellen Interessenten oder Käufer waren in Sicht und so ließ sich Louise ein opulentes Frühstück in ihrer Stamm-Patisserie schmecken. Anschließend rauchte sie noch genüsslich eine Zigarette, bevor sie zu ihrem Stand zurückkehrte.
Dort begann sie unverzüglich, ihre farbenprächtigen Pflanzen zu düngen, die in massiven, bauchigen Tontrögen ihren hölzernen Verkaufskiosk malerisch umrandeten.
Sie streifte sich Einweghandschuhe über ihre Hände, um sich nicht mit Blumenerde oder Asche unter den Fingernägeln zu beschmutzen und den makellosen Nagellack nicht zu gefährden. Sie entkorkte den Krug, schüttete die Asche behutsam in die Blumentröge und verteilte sie gleichmäßig mit einem handtellergroßen Miniaturrechen, den sie zusammen mit einer ebenso winzigen Schaufel in einem Spielzeugladen für Kleinkinder erstanden hatte. Dabei entfernte sie geschickt zarte Bruchstücke aus Ton, drei kräftige Backenzähne, eine schmale, silberglänzende Metalplatte sowie vier verkohlte Schrauben und ließ diese Kleinteile in eine ihrer geräumigen Hemdtaschen gleiten.
Manchen Materialien konnten selbst außergewöhnlich heiße tausenddreihundert Grad in ihrem ultramodernen Brennofen nichts anhaben. Aber das war kein Problem. Im Laufe des Tages würde sie in verschiedenen Toiletten von Cafés, Bars und Restaurants rund um den Marktplatz von Anchieu für die fachgerechte Entsorgung dieses unvermeidlichen Sondermülls sorgen und ihn der ins Nirwana fließenden Kanalisation zuführen.
Größere und sperrige Ersatzteile, die nicht durch das Staubsaugerrohr passten, blieben am Boden des Brennofens liegen, von wo Louise sie von Zeit zu Zeit mit einer langen, beweglichen Greifzange (wie sie auch von den Müllmännern, die entlang der Autobahnen und Straßengräben ihren bedauernswerten Dienst tun mussten, verwendet wird) entfernte, von Asche und Kohle befreite und entweder den regelmäßigen Sperrmüllsammlungen oder einfach dem Restmüll spendete.
Sie hatte sich stets strikt an ihre eigene Philosophie „Je offensichtlicher etwas ist, desto weniger wird es gesehen.“ gehalten und der Erfolg ihrer Recyclingpolitik gab ihr Recht.
Louise, Marcel
„Ich hatte den Verdacht, Sie wollten mir mit Ihrem indianischen Aschedünger einen Bären aufbinden, aber nun sehe ich es selbst – die prächtigsten Blüten weit und breit!“
Louise erstarrte in ihrer gebückten Haltung, stemmte geistesgegenwärtig beide Hände in die Hüften und begann sich langsam und mühevoll aufzurichten, als ob es ihrem Rücken Qualen bereiten würde, die einzelnen Wirbel wieder in eine stabile Position zu befördern. Sie benötigte diese Zeit, um sich zu fassen und blitzschnell zu überlegen, was er gesehen haben konnte. Nun, sie würde es noch früh genug herausfinden.
Sie drehte sich zu ihm um, zog dabei die Handschuhe von den Händen und sah den Ermittlungsleiter nachdenklich an.
„Wie kommt es, dass es mich nicht überrascht, Sie hier zu sehen? Ist der Fall so brisant, bin ich Ihre Hauptverdächtige oder war Ihnen bloß langweilig an Ihrem freien Tag? Oder ist es eine Mischung aus allem?“
Marcel hatte mit einem Empfang wie diesem gerechnet und würde seine Fehler des gestrigen Abends nicht noch einmal wiederholen. Er würde ihr nichts mehr vorgaukeln oder schön reden.
„So ist es. Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten. Nicht beim offiziellen Verhör auf
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