434 Tage
diese Hollywood-Scheiße suggeriert ein völlig falsches Bild. Und wir dämlichen Normalmenschen orientieren uns an Geschichten, die einem Drehbuch und einem noch stringenteren Plan folgen. Auf uns wirkt das alles real und spontan. Eigentlich eine Frechheit, wenn man es sich genauer überlegt.
„Du hast recht.“ Caro schaut mir tief in die Augen. „Alles, was du sagst, stimmt. Aber ich liebe Kai. Ich liebe ihn.“
„Ja, das weiß ich“, sage ich und seufze und füge dann hinzu, „Ich freue mich, wenn du glücklich bist.“ Das ist nicht wirklich die Wahrheit, aber was soll ich auch sagen? Du steuerst in dein Verderben? Hör auf meine Worte, er wird dich wieder verlassen? Nein. Das sage ich nicht. Ich bin eine gute Freundin und denke es einfach. Und wenn es dann wahr wird, werde ich mir den Drang verkneifen, ihr zu sagen, dass es klar war, dass das passieren würde.
„Ich weiß nicht, ob du das hören willst, aber Julian ist in der Stadt.“
„Er ist hier?“ Mein Dämon hebt ruckartig den Kopf. So als hätte ihn dieser Satz aus dem Wachkoma gerissen.
„Ja, er ist zu Besuch.“
„Zu Besuch.“ Wieso ich das wiederhole, wüsste ich auch gern. Vermutlich, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll. „Und wie lange?“
„Noch zwei Wochen.“
„Zwei Wochen also.“
„Ich wusste nicht, ob ich es dir sagen soll, aber ich dachte, ich würde es wissen wollen.“
„Es ist mir egal, wo er ist“, lüge ich. Und zu meinem eigenen Entsetzen klinge ich wirklich überzeugend. „Dann hat er also vor, in den Staaten zu bleiben.“
„Soweit ich weiß, ja.“
„Das dachte ich mir.“
„Ich habe ihn aber nur kurz gesehen und nicht wirklich viel mit ihm gesprochen.“
„Du hast ihn gesehen?“ Und da war es. Das unbändige Interesse, das ich so gerne im Verborgenen gehalten hätte.
„Ja, gestern.“
„Und, wie sieht er aus? Lass mich raten. Er sieht gut aus und es geht ihm fantastisch, richtig?“
„Mehr oder weniger, ja.“
„Wie auch immer...“, sage ich und schaue auf die Uhr. „Danke, dass du es mir gesagt hast.“
„Kein Problem“, antwortet Caro.
Ich schaue vorsichtig zu ihr hinüber. Was ist stärker, die Neugierde oder mein Wunsch, nicht zusammenzubrechen? Und während ich Luft hole, weiß ich bereits, dass ich die Antwort nicht mögen werde. „Hat er nach mir gefragt?“ Und ohne mich anzusehen, schüttelt sie den Kopf. Ich wusste es. Warum habe ich überhaupt gefragt? Ich bin so ein Idiot.
Kapitel 31
Ich stecke den zweiten Brief in seinen Umschlag zurück und packe ihn zu den anderen in den Karton. Auf Zehenspitzen schleiche ich die Stufen hinunter, den Karton unter dem Arm. Ich schlüpfe in die Schuhe, greife nach meiner Handtasche und verlasse das Haus.
Die laue Sommerluft empfängt mich wie einen alten Freund. Ich atme tief ein und gehe zum Auto. Julians Worte mit dem Duft meines Ehemannes in der Nase zu lesen, ist so, als hätte ich in meinem Ehebett Sex mit ihm, während Tobias neben uns ein Buch liest. Und in dem Augenblick, als mir das klar wurde, erschien mir dieses Schlafzimmer plötzlich ungemütlich und fremd.
Ich steige ein und stelle den Karton auf den Beifahrersitz, dann greife ich nach Brief ‚Nummer 3’. Er ist schwerer als die beiden anderen. Ich öffne den Umschlag und schaue hinein. Und da liegt sie. Sie funkelt mir silbern entgegen. Und bei diesem Anblick breche ich in Tränen aus.
Anja,
du bist feige und egoistisch. In diesem Augenblick hasse ich dich. Ich hasse es, dass du immer den leichten Weg gehst und dass du das Gefühl hattest, nicht mit mir reden zu können. Ich hasse die Tatsache, dass du mich vor vollendete Tatsachen stellst. Du schreibst, ich war mit mir selbst beschäftigt – mag sein. Aber ich habe dich nicht dazu gezwungen, mir nicht zu sagen, was du willst, was du denkst und fühlst. Das hast du entschieden. Ich habe keinen Weg vorgegeben. Ich bin einfach den gegangen, der mir richtig vorkam. Und zu diesem Weg hast du immer dazu gehört. Als du angefangen hast, unglücklich zu sein, hättest du mit mir reden müssen. Du hast geschrieben, dass ich dich hätte fragen sollen, ob du mit mir gehen willst. Ja, das hätte ich. Aber ich wollte nicht. Das heißt, natürlich wollte ich das, aber ich hatte das Gefühl, einmal im Leben etwas alleine schaffen zu müssen. Allein. Ich hatte sogar überlegt, dich zu fragen. Aber mein Vater hat mir einmal mehr klar gemacht, dass ich es alleine nicht schaffe. Und dass Jura nichts für mich
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