46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
sind.“
„So meinst du, daß unser Señor im Sterben liegt?“
„Ja.“
„Nein, das glaube ich nicht. Der Tod ist anders. Wir haben ihn verbunden, das hat ihm wohlgetan. Er ist erwacht und hat meine Erzählung gehört.“
„Meinst du?“
„Ja, aber wie man etwas halb im Traum hört, so hat er auch gesprochen, und dann ist er sofort wieder eingeschlummert.“
Der Ansicht schloß sich schließlich auch Marie Hermoyes an. –
Unterdessen hatte der eine der Mexikaner, welche den Vaquero nach dem Keller gebracht hatte, eine Magd hinauf zu Josefa geschickt. Diese fand das Mädchen in der oben bereits erwähnten Stellung: Sie saß auf dem Stuhl, hatte die Stirn auf der Kante des Tisches liegen und hustete in einzelnen, schwachen Stößen Blut aus dem Mund.
„Um aller Heiligen willen, was ist mit Euch, Señorita?“ fragte die Magd. „Ihr spuckt ja Blut. Seid Ihr verletzt?“
Josefa hob langsam den Kopf in die Höhe und sagte leise:
„Ich muß schreiben. Gib Kissen her.“
„Schreiben? Das geht unmöglich.“
„Es muß gehen.“
„Aber man sagte mir, Ihr hättet mehrere Rippen gebrochen.“
„Wer sagte es?“
„Einer von den zweien, die dabei gewesen sind.“
Da fuhr sie langsam mit der Hand nach der Brust. Ein Wehlaut entfuhr ihrem Mund; ihr Gesicht wurde erst leichenblaß, dann blutig rot, und nun hustete sie wieder so, daß das Blut in einem dünnen Strahl aus dem Mund floß.
„Seht Ihr's, Señorita, daß der Mann recht hatte?“ fragte das Mädchen.
„Hole ihn.“
Sie ging, und bald traf der ein, von dem die Magd gesprochen hatte.
„Ihr sagtet vorhin, daß ich einige Rippen gebrochen hätte?“ fragte Josefa.
Man sah und hörte es ihr an, daß ihr jede Silbe schwerfiel.
„Ja, Señorita“, antwortete er.
„Wißt Ihr, wo der nächste Arzt zu finden ist?“
„Vielleicht in Saltillo oder Castañera. Gewiß weiß ich es nicht.“
„Wie weit ist es hin?“
„Einen Tag und einen halben hin und ebensolang wieder her, also drei Tage.“
„So lange kann ich nicht warten.“
„Ja, näher gibt es keinen Arzt.“
„Kennt Ihr alle Männer genau, welche sich jetzt hier befinden?“
„Ich denke, so ziemlich alle.“
„Gibt es nicht zufälligerweise einen unter ihnen, der Arzt gewesen ist?“
Diese Frage war nicht so außerordentlich, als es einem Deutschen scheinen möchte. Da drüben in jenen Ländern spielt das Schicksal sonderbar mit dem Menschen.
„Arzt nicht, aber – – –“, antwortete der Mann zögernd.
„Was denn?“
„Chirurg.“
Er wollte das Wort Bader denn doch lieber nicht gebrauchen.
„Ein Chirurg? Das ist ja, was ich nötig habe. Wer ist es?“
„Mein Kamerad, der vorhin mit bei Euch war.“
„Der den Vaquero hielt?“
„Ja.“
„Versteht er sich auf Rippenbrüche?“
„O, ausgezeichnet. Er hat schon als Lehrling Rippenbrüche geheilt.“
„So holt ihn herauf.“
Er ging und brachte in kurzer Zeit seinen Kameraden herbei, welcher mit selbstbewußter Miene in das Zimmer trat.
Josefa hatte Mühe, sich auf dem Stuhl zu erhalten.
„Ihr seid Chirurg?“ fragte sie ihn.
„Nein“, antwortete er.
„Dummkopf“, raunte ihm der andere zu.
„Was denn?“ fragte sie. „Der da sagt, daß Ihr Chirurg wäret.“
„Chirurg nicht, sondern Bader bin ich, Señorita.“
„Bader? Da ist ja ein sehr großer Unterschied, denke ich.“
Der gute Mann sah ein, daß er einen Fehler gemacht hatte, und antwortete:
„Jawohl, Señorita. Nämlich die Chirurgen heilen die Bein- und Leistenbrüche, die Bader aber heilen die Rippen- und Wasserbrüche.“
Er glaubte, damit seinen Fehler wieder gutgemacht zu haben. Josefa litt zu große Schmerzen, als daß sie über diesen Unsinn nachgedacht hätte.
„Also Ihr versteht, mit Rippenbrüchen umzugehen?“
„Ja.“
„Ihr könnt sie einrichten?“
„Ja.“
„Und verbinden und kurieren?“
„Das versteht sich.“
„So untersucht mich einmal genau.“
„Legt Euch in die Hängematte.“
„Schafft mich hin.“
Die beiden Männer griffen zu und legten sie in die Matte. Da sie nach Art der Mexikaner nur leicht gekleidet war, so konnte die Untersuchung ohne große Schwierigkeiten vorgenommen werden. Sie biß die Zähne zusammen, mußte aber doch einigemale einen Schmerzensschrei ausstoßen.
Endlich war der Mann fertig. Er verstand von dem Bau und den Krankheiten des menschlichen Körpers nicht mehr als jeder andere Abenteurer, dennoch aber gab er sich den Anschein eines weisen Mannes der
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