47 Ronin: Der Roman zum Film (German Edition)
das, was er wiederholt verkündet hatte: »Unser Herr hat sein Urteil akzeptiert. Das müssen wir ebenfalls ...«
»Unser Herr ist betrogen worden!«, beharrte Yasuno wütend. »Er hätte Fürst Kira niemals ohne Grund angegriffen!«
»Das Gesetz des Shoguns fordert, dass wir die Burg übergeben ...« Horibes empörtes Krächzen gesellte sich zu Yasunos Protest. In einem Alter, in dem die meisten Männer nur noch am Feuer saßen und sich von ihren Enkelkindern das Essen vorkauen ließen, war er immer noch so stark – und stur – wie ein wilder Eber. In der Schlacht zu sterben, war das Beste, auf das er hoffen konnte ... Aber das war für die meisten Bewohner von Ako nicht der Fall.
»Wir können uns ihm nicht widersetzen«, sagte Bashō und schüttelte den Kopf. »Wir müssen an Fürst Asanos Nachkommen denken ...« Angesichts Bashōs respektlosem Sinn für Humor und seiner Freundschaft mit dem hitzköpfigen Yasuno hatte sich Oishi manchmal gefragt, ob man ihn aus dem Kloster geworfen hatte, in dem er seine Jugend verbracht hatte. Aber in Zeiten wie diesen wunderte er sich, ob sich in Bashōs riesigem Körper vielleicht die Seele eines Bodhisattva verbarg.
Wann immer eine Situation einen Konflikt zwischen seinem Sinn für Moral und bedingungslosem Gehorsam darstellte, gab Bashō ohne zu zögern
ninjō
, der Stimme seines Gewissens, den Vorzug vor
giri
. Viele Herrscher hätten ihn deswegen verbannt oder wegen Ungehorsam zum Tode verurteilt. Fürst Asano sah das anders. Oishi hatte nie vergessen, wie Bashōs Weisheit die kleine Mika-
hime
aus dem tiefen Loch ihrer eigenen Verzweiflung befreit hatte, in das sie nach dem Tod ihrer Mutter gefallen war. Und durch Mika hatte Bashō auch Fürst Asano geholfen.
Und nun schien Bashō der einzige seiner Kommandeure zu sein, der die Konsequenzen eines Widerstands gegen einen direkten Befehl des Shoguns verstand: Nicht nur würden alle in Ako leiden, das Haus Asano würde für immer ausgelöscht.
»Seine Nachkommen werden uns verfluchen, wenn wir gar nichts tun!«, erwiderte Isogai, als wäre ihm nicht klar, dass Fürst Asano keine Nachkommen mehr haben würde, wenn sie in der Schlacht besiegt wurden und die Dame Mika dabei starb. Isogais gutes Aussehen hatte ihm die Gunst zahlreicher Frauen eingebracht. Wenn es darum ging, einem Liebeskranken einen Rat zu geben, war er sehr erfahren. Aber wenn es darum ging, die Folgen einer schwierigen Situation zu verstehen, war er zu jung, um über die Spitze seines eigenen Schwerts hinauszudenken.
Oishi blickte von einem besorgten, angespannten Gesicht zum anderen. Er war zwischen
giri
und
ninjō
hin und hergerissen. Sein Verständnis des
bushidō
und sogar sein Glaube an die Götter hatten ihn im Stich gelassen, als er sie am dringendsten brauchte. Sie hatten ihn verlassen, obwohl es darum ging, die beste Wahl zu treffen, die weiseste Entscheidung. Es ging um die Zukunft der Dame Mika, seiner Truppen und des ganzen Volkes von Ako. Der
karō
wusste einfach nicht, ob er den Versprechen des
bakufu
glauben durfte, wenn Fürst Kira den Shogun manipulieren konnte wie eine Marionette.
Und immer wieder suchte ihn das Versprechen heim, das er Fürst Asano gegeben hatte.
Yasuno drehte sich verärgert zu Oishi um. »Unsere Familien haben diesem Haus seit Generationen gedient. Die Asanos haben uns unsere Pflichten als Samurai gelehrt. Zuallererst müssen wir unseren Herrn ehren. Wir müssen ihn rächen!«
Oishis Mundwinkel sanken nach unten, als ihm endlich klar wurde, welche Wahl er treffen musste. Und dass er keine andere hatte. »Sie haben uns auch gelehrt, dass ein ohne Not gegebenes Leben bedeutet, wie ein Hund zu sterben.« Er sah Yasuno fest an, bevor er von einem zum anderen Mann am Tisch schaute. Auf einmal wusste er mit absoluter Sicherheit, was er zu tun hatte, und fragte sich, warum er so lange gebraucht hatte, etwas so Offensichtliches zu erkennen. »Dem Shogun zu trotzen, wird Fürst Asanos Seele keinen Frieden bringen. Einzig der Tod von Fürst Kira kann ihn rächen.«
Alle Männer in seiner Runde verstummten und starrten ihn mit erschrockenem Gesichtsausdruck an. Fürst Asano war durch Fürst Kiras Schuld gestorben. Das wusste jeder von ihnen. Und bis der Tod ihres Herrn nicht gerächt war, würde seine Seele keine Ruhe im Himmel oder auf Erden finden.
»Wenn wir jetzt kämpfen, werden wir sterben«, erklärte Oishi. »Und nicht nur wir. Jeder Bauer und Dorfbewohner von Ako wird ermordet werden.« Er hielt ihre Blicke und
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