5 Tage Liebe (German Edition)
pünktlich zu sein, kann ich mit Garantie sagen, es wird so um die zehn Minuten später. Einfach nur, weil ich so gerne trödle. Mir fallen beim Verlassen des Hauses noch Dinge ein, die ich erledigen muss. Und bevor ich mich versehe, erreicht mich schon die erste Nachricht auf meinem Handy, wo ich denn bleibe.
Ich habe das Handy heute in meiner Gesäßtasche. Nur dort spüre ich die Vibration, wenn mich jemand anruft. Auf keinen Fall will ich das Risiko eingehen, einen eingehenden Anruf von Maya zu verpassen. In der unendlichen Tiefe meiner Jackentasche wäre die Chance für dieses Horrorszenario allerdings gut denkbar.
Ich warte also. Wenn man wartet, dann sind fünf Minuten nie gleich fünf Minuten. Gefühlte Zeit dehnt und rafft sich immer etwas unfair, wenn man mich fragt.
Dazu zwei Beispiele:
Wenn man achtzig Minuten darauf wartet, dass der VfB Stuttgart doch noch das Ausgleichstor gegen Barcelona in der Champions League schießt, dann fühlt es sich an wie acht Minuten.
Wenn man aber darauf wartet, dass die heimliche Liebe mit der grauen Mütze um die Ecke kommt, dann werden aus quälenden fünf Minuten gefühlte fünf Stunden!
Der Zeiger meiner Uhr will sich nicht wirklich nach vorne bewegen und so tue ich es stattdessen. Ich schlendere die Straße ein bisschen hoch, dann wieder zurück. Spiele mit dem Gedanken, mir einen Crêpe zu gönnen und entscheide mich dagegen. Es ist jetzt fast viertel nach fünf. So langsam werde ich das Gefühl nicht los, dass ich vielleicht einen kapitalen Fehler gemacht habe.
Nach unserem letzten Gespräch am Telefon hatte ich mich in Sicherheit gefühlt und alle Vorbereitungen für ein perfektes Date geschaffen. Aber sah Maya das wirklich auch so? Ich hatte sie bei der Arbeit gestört, zumindest hatte es sich so angehört. Im Hintergrund waren Damenstimmen zu hören, die wild kichernd gesprochen hatten. Sie hatte geflüstert und klang etwas in Eile. Vielleicht hatte sie sich den Termin gar nicht merken können.
Meine Finger sind kalt und die Wärme des ehemals warmen Kaffeebechers reicht nicht mehr aus, um mich zu wärmen. Sie wird nicht kommen. Es dämmert mir endlich. Das Horrorszenario meiner Alpträume ist eingetreten. Sie wird nicht kommen und ich habe es eigentlich schon die ganze Zeit gewusst.
Auf eine der runden Bänke, die um die Bäume gebaut sind, setze ich mich schließlich und nehme das ganze Ausmaß meiner Kapitulation stumm hin. Ja, ich gebe auf. Es war alles doch auf genau diesen Moment zugeschnitten. Ich Vollhorst entwickele Gefühle für sie, gegen die ich mich noch immer wehre – und sie sieht in mir nur einen weiteren Fan.
Im Aufgeben bin ich übrigens bestimmt Rekordhalter. Da könnte ich auch einen Michael Phelps abhängen, wenn es um Auszeichnungen geht. Eine Niederlage? Ich stecke sie weg, beziehungsweise ein, und laufe weiter. Nur dass ich jetzt sitze.
Mit halb erfrorenen Fingern wühle ich das Handy von meinem Hintern weg und wähle die Nummer, die ich gestern Nacht auswendig gelernt habe. Atmen nicht vergessen.
Es klingelt.
Ich atme.
Es klingelt wieder.
Ich atme weiter.
„Hey Leute, ich bin gerade unterwegs und kann nicht ans Handy. Hinterlasst mir doch eine Nachricht.“
Das Piepsen, mit dem ich nicht gerechnet habe. Ich komme mir vor wie bei „Wer wird Millionär?“ als Telefonjoker. Dreißig Sekunden Zeit, um die Frage zu hören, die Antwort zu erkennen und zu nennen. Dreißig Sekunden. Das Piepsen hat unwiderruflich den Startschuss gegeben und ich habe nicht mal einen Augenblick, um mir einen gut gewählten Text aus den Fingern oder einem anderen Körperteil meiner Wahl zu ziehen.
„Ja. Hi. Ähm. Ich bin’s, Jonas. Ich warte hier, wie abgemacht, aber du bist nicht da. Vermutlich kam dir was dazwischen. Oder du hast das Treffen gar nicht ernst genommen. Was ich für wahrscheinlicher halte. Eigentlich wundert es mich auch nicht. Ich meine, im Ernst, wieso solltest du dich mit mir treffen wollen. Irgendwie albern. Ich hatte auf jeden Fall einen Kaffee für dich organisiert. Aber ich weiß ja gar nicht ...“
Mein Gestammel wird einfach beendet. Ich habe die Zeit der Mailbox wohl überzogen. Ich sage ja, ich wäre ein beschissener Telefonjoker. Hoffentlich wird mich Günther Jauch niemals anrufen!
Aber mit dem Unsinn, den ich gerade auf ihre Mailbox gesprochen habe, habe ich den Titel des Vollidioten der Saison mit Bravour gewonnen. So kann und will ich es nicht stehen lassen. Erneut wähle ich ihre Nummer. Gleicher
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