50 - Schatten über Kregen
und die Schreie der verängstigten Menschen wie ein Konzert aus der Hölle. Gereizt wedelte ich die letzten Rauchschwaden beiseite und holte die panikerfüllten Sklaven ein.
Sie eilten dicht zusammengedrängt zur anderen Seite des Lagers. Dort gab es nur wenige Hütten oder Arbeitsstätten, darum hatte ich mich dort noch nicht umgesehen. Ein Loch öffnete sich in der Kraterwand, das mir vorher noch nie aufgefallen war.
Die Sklaven stießen einander aus dem Weg und drängten sich in die Öffnung hinein, die etwa die Größe eines kleinen Tempeltors hatte.
An der Seite stand ein runder Stein wie ein Mühlrad der Götter und wartete darauf, vor die Öffnung gerollt zu werden. Zweifellos gab es ein wirksames System mit Keilen, um ihn zu verschließen. Erst einmal dort drin sein, dachten die Sklaven, erst einmal dort drin sein, dann sind wir in Sicherheit, bei allen Göttern!
Zynisch, wie ich in solchen Sachen nun einmal bin, war ich davon alles andere als überzeugt, bei Vox! Nach den Aktionen der unerfreulichen schlangengesichtigen Angreifer und ihrem Artgenossen, der mir über den Weg gelaufen war, zu urteilen, würden sie sich vermutlich von keinem noch so geschickten Triumph der Ingenieurkunst von ihrer Beute abhalten lassen.
Etwa ein Dutzend Sklaven war noch draußen, und ein großer, haariger Bursche trieb sie zur Eile an. Der runde Stein setzte sich bereits in Bewegung. Einem heidnischen Götzen gleich schob er sich vor das Loch und schloß ohne Gnade die Lücke. Die armen Teufel draußen brachen in lautes Flehen und Geschrei aus. Der stämmige Kerl packte einen Gon und schleuderte ihn durch den Eingang. Er drehte sich um, griff sich eine Fristle-Fifi und stieß sie kopfüber hinein. Die Öffnung wurde zusehends kleiner. Der haarige Bursche würde sich niemals hindurchquetschen können. Der Stein rollte an Ort und Stelle.
Die Sklaven, die es nicht mehr geschafft hatten, setzten zu einem nervenzerrenden Wehklagen an. Ihre Erlebnisse hatten ihnen jede Ähnlichkeit mit einem menschlichen Wesen genommen. Ich trat an den haarigen Burschen heran und sah ihn mir genauer an. Und sofort eilte meine Erinnerung zu jener unglückseligen Taverne Zur Rubinroten Weinschnute in Ruathytu.
»Bei Beng Brorgal!« rief ich völlig erstaunt. Beng Brorgal ist übrigens der Schutzheilige aller Wirtshausschläger. »Dharam der Kühne!«
Der Haarige schenkte mir einen finsteren Blick aus blutunterlaufenen Augen. »Das war einmal, Dom. Jetzt werde ich Darham genannt. Sollte ich dich kennen?«
Die kreischenden Sklaven rannten kopfüber in die Dunkelheit. Dharam – der nun Darham genannt wurde – und ich waren einen Augenblick lang allein. »Wir sind uns kurz in der Rubinroten Weinschnute in Ruathytu begegnet. Eine kleine Prügelei.«
»Die kenne ich! Ein prächtiges Etablissement, wo ein Bursche in Ruhe einen Schluck trinken kann. Aye, und einen hübschen Kampf findet er dort auch. Aber du?« Er schüttelte den Kopf. Das wunderte mich nicht, hatte ich zu dieser Zeit doch eines meiner Tarngesichter getragen.
»Du hast mich mit einem unglückseligen Mann namens Planath der Durchtriebene verwechselt.«
Nun hat mir das Bad im Heiligen Taufteich von Aphrasöe ein Erinnerungsvermögen beschert, das selbst viele Perioden zurückliegende Unterhaltungen wortwörtlich wiedergeben kann. Aber die Mehrzahl der Kreger mit ihrer hohen Lebenserwartung können sich an die meisten Geschehnisse ihrer Vergangenheit erinnern. Darham sah keinen Tag älter aus als damals, als Seg und ich in der Taverne gegessen und nach Spionen Ausschau gehalten hatten. Wir hatten ein paar Meuchelmördern eine heftige Abreibung verpaßt. Ich erwähnte es. Darham verzog das faltige Gesicht. Er rieb sich die Ungeheuerlichkeit, die er Nase nannte. Er schürzte die Lippen.
»Nath der Hammer!« rief er dann mit der Gewalt eines ausbrechenden Geysirs aus. »Und dein Kamerad, Naghan der Bogenmacher! Bei Uldor dem Mächtigen, er war kräftiger Kampeon!«
»Das stimmt«, sagte ich ernst.
»Ist er hier?«
»Nein.« Ich hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als mich zwei sehr unterschiedliche Gefühle heimsuchten. Ich konnte dem guten alten Seg unmöglich wünschen, den Schrecken dieses Shanklagers zu erleben. Aber, bei Vox, wäre er dagewesen – wir hätten es ihnen gezeigt!
Darhams gewaltige Brust schwoll an, Muskelstränge zogen sich unter der Haut zusammen, doch sein Bauch war so flach wie ein Diskus. Er pustete seine Schnurrbarthaare beiseite. »Wir können hier nicht
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