51 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 03 - Jagd durch die Prärie
seelensgut! Aber dumm? Nein. Ich habe ihn damals für dumm gehalten, heute aber sehe ich ein, daß er es nicht war. Er war aufrichtig und treuherzig, und das kann fast wie dumm aussehen.“
„Möglich. Ich habe ihn für dumm gehalten, zumal er mir nicht glaubte. Er hatte nämlich eine Geliebte, wegen der er nach Ruppertsgrün lief. Die hielt ihn nur zum Narren, und er sah das nicht ein.“
„Haben Sie sie gekannt?“
„Nein. Ich habe zwar im Saal gesehen, daß er mit ihr tanzte, aber weiter um sie gekümmert habe ich mich nicht. Der Racker war es nicht wert.“
„Racker? Warum?“
„Weil sie ihn doch nur an der Nase herumführte, und ich hielt große Stücke auf ihn. Wir waren nämlich fast alle Abende beisammen und machten Musik miteinander, ich mit der Ziehharmonika und er mit der Gitarre. Ein dritter schlug das Triangel dazu.“
„Ach ja! Er spielte Gitarre. Sein Leiblied war, glaube ich – hm, ich habe den Anfang vergessen, aber die fetzten Zeilen kann ich noch.“
„Meinen Sie etwa:
Von dir geschieden,
Bin ich bei dir,
Und wo du weilest.
Bist du bei mir.
Von dir zu lassen.
Vermag ich nicht.
Weil du mein Alles,
Mein Lebenslicht!“
„Ja, ja, das war es, das! Es hatte eine so schöne, einfache, aber ergreifende Melodie. Der Schluß war:
Doch du ziehst weiter
Und weiter fort,
Nie hör' ich wieder
Dein süßes Wort.
O sel'ge Tage,
O kurzes Glück,
Ruft keine Sehnsucht
Euch je zurück?“
„Wahrhaftig, Sie können es auswendig! Wer hat es Ihnen denn gelehrt?“
„Er. Ach ja, es ist wahr: ‚Doch du ziehst weiter und weiter fort!‘ Er ist fortgezogen!“
„Von ihm haben Sie es? Haben Sie ihn denn gekannt?“
„Und wie! Ich war's ja!“
„Sie waren es? Was denn?“
„Seine Geliebte.“
„Was? Sie waren es? Sapperment! Auf Ihrem Schweinestall hat er gestanden?“
„Fast alle Abende!“ seufzte sie.
„Ohne durchzubrechen?“
„Das Dach war fest.“
„Also Sie, Sie sind es gewesen! Und ich habe Sie vorhin einen Racker genannt.“
„Ich nehme es Ihnen nicht übel. Ich bin auch ein Racker gewesen. Ich habe ihn hinausgestoßen in die weite Welt. Ich war schuld, daß er ging.“
„Warum haben Sie denn das getan?“
„Weil – weil ich ihn für ein bißchen albern hielt.“
„Schwerebrett!“
„Ja. Und das war er doch gar nicht. Er war nur aufrichtig. Er war mir so gut, daß er mir keine Lüge, keine Unwahrheit sagen konnte. Das habe ich für Dummheit gehalten.“
„So geht es! Die besten Menschen werden verkannt. Als er von mir Abschied nahm, sagte er noch, daß er Sie nie vergessen werde.“
„O Gott! Hat er das gesagt?“
„Ja. Er gab mir noch ein Herz, das ich Ihnen bringen sollte, zum Andenken an ihn.“
„Der Liebe, der Gute! Aber von dem Herzen weiß ich gar nichts. Sie haben es mir ja nicht gebracht.“
„Leider nicht. Es war aus Pfefferkuchen. Vorn klebte ein roter Zettel, auf dem in schöner Goldschrift der Reim stand:
Du bist so süß wie Pfefferkuchen,
Doch muß ich meiner Liebe fluchen.
Ein andrer küßt dich auf den Mund,
Das bringt mich vollends auf den Hund.“
Jetzt trat eine Gesprächspause ein. Sam erwartete ein Wort, sie aber sagte nichts. Es war zu dunkel, als daß er ihr Gesicht hätte sehen können. Was dachte sie jetzt? Glaubte sie es von diesem Herzen? Merkte sie, daß er Jux machte? Die letzte Zeile des Pfefferküchlerreimes war wohl einem liebenden Herzen nicht ganz angemessen!
Und als sie immer noch schwieg, sagte er:
„Ich hätte es Ihnen gern gebracht, aber ich hatte selber eine Geliebte, die mir untreu geworden war, und so habe ich dieser das Herz gegeben. Es ist also doch an den richtigen Mann gekommen, das wird Sie trösten, Mylady.“
„Es gehörte aber mir!“
„Nun ja. Hat das Stück Pfefferkuchen denn so großen Wert für Sie?“
„Es war ja von ihm!“
„Ganz richtig, von ihm, und darum hat es einen solchen Wert. Es ist genauso, wie in dem Liede von den alten zerrissenen Hosen. Da sagt die Frau:
Geh mit deinen alten Fetzen,
Die kein Mensch mehr flicken kann!
und er antwortet darauf:
Frau, die mußt du liebreich schätzen,
Denn sie sind von deinem Mann!“
Wieder trat eine Pause ein. Die Art und Weise, wie er sich in dieser Herzensangelegenheit ausdrückte, war ihr gar nicht sympathisch. Er fühlte das. Vielleicht war er mit Absicht so drastisch. Er wollte sie ein wenig peinigen für alles, was sie ihm früher zugefügt hatte. Aber es tat ihm doch weh, und so fuhr er fort:
„Haben Sie niemals wieder von ihm
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