52 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 04 - Arizona
sprechen.“
„Vielleicht doch.“
„Wenn Ihr das Leben riskiert, ja.“
„Hm! Der Lasso ist lang, fünfundzwanzig bis dreißig Meter. Die Miß hat also ziemlich weiten Spielraum. Wenn wir auf den Baum gelangen können, der ihr am nächsten steht, und ihr einen Wink geben, so –“
„So wird sie vor Schreck schreien, und man nimmt uns beim Schopf.“
„So schnell geht das nicht. Versuchen wir es!“
„So müssen wir eine Strecke zurück. Hier am Rand des Hurrikan können wir nicht hinklettern. Da würde man uns bald bemerken.“
Sie kehrten nunmehr eine kurze Strecke zurück, und bald gelang es ihnen, Äste zu finden, die in die angegebene Richtung führten. Sam blieb auf dem vorletzten Baum zurück; Steinbach aber kletterte, allerdings sein Leben wagend, nach demjenigen, der am Rand stand. Seitwärts desselben, etwa zwanzig Meter entfernt, saß der Indianer am Feuer. Die Gefangene, die mit ihm zusammengebunden war, stand um vieles näher, und der Lasso war so lang, daß sie bis unter das Gezweig herankommen konnte.
Steinbach hätte, um von ihr gehört zu werden, ein ziemlich lautes Zeichen geben müssen. Daher wagte er lieber etwas anderes. Er stieg einen Ast tiefer herab, legte sich lang auf denselben und kroch so weit nach außen, als es möglich war, ohne daß der Ast sich senkte. Jetzt war er höchstens acht Meter von ihr entfernt und konnte ihr Gesicht ganz deutlich sehen. Sie besaß allerdings eine geradezu wunderbare Ähnlichkeit mit Tschita, war es aber doch wieder nicht. Steinbach sah, daß sie jünger war als Tschita. Ihr schönes Gesichtchen war bleich, sehr bleich, wohl vor Gram und Angst und jedenfalls auch vor körperlicher Anstrengung und Entbehrung. Sie blickte, in traurige Gedanken versunken, zu Boden, und ein schwerer Seufzer nach dem anderen hob die jugendliche Brust, als sie so, mit dem Gesicht von dem Indianer abgewandt, dastand. Steinbach glaubte, es wagen zu können.
„Pst!“ machte er.
Sie hörte es nicht, denn er hatte natürlich nicht so laut sein dürfen, daß der Indianer es vernehmen konnte.
„Pst!“
Da fuhr sie zusammen und drehte sich nach dem Indianer um. Aber sogleich zuckte es wie eine plötzliche Erkenntnis über ihr Gesicht. Sich erinnernd, daß ein Indianer niemals das ‚Pst‘ gebraucht, hatte sie sich wieder herumgedreht und lauschte. Da klang es leise:
„Señorita!“
Steinbach hatte sich dieses spanischen Wortes bedient, weil das Mädchen die Tracht von Sonora trug, wo spanisch gesprochen wird. Jetzt hob sie das Köpfchen ein wenig und blickte nach oben, und es schoß rot und bleich über ihre Wangen.
„Señorita!“ wiederholte Steinbach.
Nun hatte sie es deutlich verstanden und wußte auch, wo der Sprecher sich befand. Sie zuckte mit beiden Händen nach dem Herzen und wankte; fast hatte es den Anschein, als ob sie umfallen werde. Aber sie kämpfte den freudigen Schreck nieder und besann sich noch zur rechten Zeit.
Wie um sich ein Sträußchen des flockigen Mooses zu sammeln, bückte sie sich nieder und kam langsam näher, soweit der Lasso reichte. Der Indianer merkte es. Er blickte finster vor sich hin; aber als er sah, daß sie das Moos pflückte, wandte er sein Gesicht wieder dem Feuer zu. Sie war ihm ja sicher. Sie konnte den Knoten des Lassos, der sich auf ihrem Rücken befand, nicht lösen und hatte auch kein Messer, den Riemen zu durchschneiden.
Jetzt erhob sie sich aus ihrer gebückten Lage und raunte, ohne daß sie den Kopf nach oben hob, vor sich hin:
„Quien habla – wer spricht?“
„Soi tu amigo – ich bin ein Freund von dir.“
Da leuchtete es in ihren schönen blauen Augen wonnig auf.
„Señor Carlos?“ fragte sie.
„No.“
„O aymé!“
„Pero soi un hombre blanco – aber ich bin ein Weißer!“
Hatte sie erst einen Ruf des Bedauerns geflüstert, als sie vernahm, daß Steinbach nicht Señor Carlos, jedenfalls ein Bekannter von ihr, war, so sagte sie jetzt:
„Bendito sea Dios – gelobt sei Gott!“
„Soi un alemán – ich bin ein Deutscher.“
Ob er vielleicht erwartete, daß sie ihm hierauf in deutscher Sprache antworten werde? Schwerlich. Aber dennoch sagte sie deutsch, indem ihr Gesichtchen vor Wonne leuchtete:
„Mein Gott! Ist es möglich!“
„Sie sprechen deutsch? Sind Sie eine Deutsche?“
„Von Geburt.“
„Wie heißen Sie?“
„Magdalena Hauser. Man nennt mich Magda.“
„Wo wohnen Sie?“
„Ich weiß es nicht; weit von hier.“
„Sie müssen doch den Namen Ihres Wohnortes
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