52 Verführungen: Ein Paar holt sich die Lust zurück - (German Edition)
wahrscheinlich noch dadurch, dass ich mir all meine wirklich wichtigen Themen für diese Gelegenheiten aufhebe, weil ich hoffe, dann mit seiner ungeteilten Aufmerksamkeit rechnen zu können.
Heute Abend läuft es allerdings aus irgendeinem Grund
anders. Herbert trinkt ein Bier, während wir uns über alles Mögliche unterhalten. Es ist richtig nett. Dann kommt eine Gruppe Frauen ins Lokal, die alle herzförmige Ballons und Blumen dabeihaben. Offenbar haben sie beschlossen, einander einen schönen Valentinsabend zu bereiten. Ich für meinen Teil bin froh, dass dieses ganze Taxieren und Posieren für mich vorbei ist. Der erste Rausch der Leidenschaft ist ja schön und gut, aber es tut ungemein gut, wenn man sich auch nach gescheitertem Treppensex nicht fragen muss, ob das irgendwie bezeichnend für die ganze Beziehung ist.
Als wir ziemlich angeheitert nach Hause kommen, bestellen wir beim chinesischen Lieferservice alle Vorspeisen von der Karte. Das hat bei uns am Valentinstag schon Tradition. Wir vereinbaren jedes Jahr, eigentlich gar nicht zu feiern, und dann ist das unsere Notlösung, weil es viel zu spät ist, um einen Tisch in einem Restaurant zu bestellen.
Und genau dieses Szenario finde ich verführerisch: Musik hören, schreckliches Essen und danach im Bett aneinandergekuschelt einschlafen.
Ich mache mir Sorgen um Herbert. Seit seinem Autounfall ist er still und reizbar. Im besten Falle könnte man es schweigsam nennen, aber eigentlich benimmt er sich eher unterkühlt. Als er mir nach dem Unfall versicherte, alles sei in Ordnung, hätte ich ihm nicht glauben sollen.
An dem Morgen, als es passierte, rief Herbert mich vom
Krankenhaus aus an. Er hätte abrupt bremsen müssen, während er in einen Kreisverkehr einbog, und der Fahrer hinter ihm sei nicht mehr rechtzeitig zum Stehen gekommen. Ich fuhr sofort hin, um ihn abzuholen.
Als ich im Krankenhaus eintraf, verließ Herbert gerade das Untersuchungszimmer. Er schien erstaunt, mich dort zu sehen. Fast, als hätte er vergessen, dass er mich doch selbst gebeten hatte, ihn abzuholen. Ich versuchte, ihn dazu zu bringen, wenigstens eine Tasse Kaffee zu trinken und mir alles in Ruhe zu erzählen. Doch er wollte unbedingt mit seinem demolierten Wagen sofort zur Arbeit fahren. So ist das Leben mit Herbert. Er ignoriert seine Sorgen lieber als großes Aufheben darum zu machen. Doch an jenem Abend kam er nervös, schmerzgeplagt und erschöpft nach Hause. Ich versuchte, ihm den Rücken zu massieren, doch der war eine einzige große Verspannung. Herbert bat mich, es sein zu lassen; der Schmerz sei zu groß.
Seine Krankenversicherung überwies ihn an einen Physiotherapeuten, doch die Behandlung der körperlichen Blessuren konnte Herbert nicht völlig von dem Unfall kurieren. Sein Vertrauen in die eigene Unangreifbarkeit war angeknackst. Herbert hat mir gestanden, dass sich ihm immer noch der Magen umdreht, wenn er auf diesen Kreisverkehr zusteuert.
Während Herbert mit den Folgen seines Unfalls kämpft, erwarte ich die Ergebnisse meines Tests auf Gebärmutterhalskrebs. Wie soll ich in dieser möglicherweise lebensbedrohlichen Situation zu meinem Körper stehen? Soll ich ihn behandeln wie etwas Fragiles, das ich sorgsam schützen sollte,
oder wie etwas, das ich – wenn auch eher gezwungen – feiern sollte? Obwohl ich natürlich weiß, dass das Unsinn ist, kann ich den Gedanken an eine mögliche Ansteckungsgefahr nicht abschütteln, ebenso wenig wie die Vorstellung, dass es (für uns beide) gefährlich sein könnte, meinen Körper zu berühren. Ich schone mich, treibe keinen Sport und lauere auf Symptome, über die ich mir Sorgen machen könnte.
In dieser Situation halten wir trotz allem an den Verführungen fest. Langsam kommen sie mir vor wie ein Mittel zum Schutz unserer Verletzlichkeit.
Verführung Nr. 9
FILM AB!
M eine Mutter kommentiert Sexszenen im Fernsehen mit einem Geräusch, das mit dem Laut vergleichbar ist, den ein Handwerker von sich gibt, wenn man ihn auffordert, eine Arbeit besonders schnell zu erledigen, oder mit dem Ton, den man ausstößt, um Mitleid zu bekunden, wenn sich jemand in den Finger geschnitten hat: ein scharfes Einsaugen von Luft durch angespannte Lippen. Fffffhhht: »Ffffhhht, das wird Sie eine Stange Geld kosten«, oder: »Ffffhhht, das hat bestimmt wehgetan«.
Die Generation unserer Eltern meint, in den 70er-Jahren den Sex erfunden zu haben. Meine Mutter ist da eine Ausnahme: Sie glaubt nämlich, sie habe ihn höchstpersönlich
Weitere Kostenlose Bücher