56 - Die Liebe des Ulanen 02 - Napoleons letzte Schlacht
war zu spät. Der Pallasch des Franzosen sauste durch die Luft und fuhr ihm in den Kopf. Er sank nieder und Margot neben ihm.
Unterdessen war die Patrouille aus dem Wald hervorgebrochen. Der sie befehligende Offizier hielt an und schaute sich um. Da fielen in dem nahen Haus vier Schüsse, und dann hörte man einen schrillen Angstschrei.
„Was ist das? Dort kämpft man!“ sagte der Offizier. „Vielleicht bedarf man unserer Hilfe. Vorwärts!“
Sie sprengten herbei, saßen ab und drangen ein. Da sprang gerade der Franzose, welcher den Hieb gegen Königsau geführt hatte, zum Fenster hinaus, da er sich nicht anders retten konnte. Aber der Husar erkannte auf den ersten Blick, was hier geschehen war, und sandte ihm eine Kugel nach, welche auch ihr Ziel nicht verfehlte.
Florian und der Wirt wurden ihrer Fesseln entledigt und erfuhren, daß eine größere preußische Truppenabteilung im Anzug sei, so daß sie nun nichts mehr zu befürchten hatten. Sie erzählten in kurzen Umrissen, was geschehen war, und mußten auf Befehl des Offiziers die Damen nach oben bringen.
Königsaus Kopfwunde war lebensgefährlich. Er erhielt einen notdürftigen Verband, bis nach ungefähr einer Stunde die erwähnten Truppen ankamen und ein Arzt sich seiner annehmen konnte. Dieser schüttelte zwar höchst bedenklich den Kopf, gab aber doch der inzwischen wieder zu sich gekommenen Margot eine tröstliche Antwort, obgleich er ihr nicht erlaubte, den Geliebten zu sehen.
Richemonte kehrte nicht nach Hause zurück; er hatte unterwegs von dem Anrücken der Preußen gehört und vorgezogen, sich nicht in eine gar zu große persönliche Gefahr zu begeben. Von der Verwundung seines Todfeindes wußte er allerdings noch nichts.
SECHSTES KAPITEL
Die Tochter des Kabylen
Oft treten im Laufe der Ereignisse Pausen ein, welche vermuten lassen, daß der Faden der Geschichte vollständig abgerissen sei. Aber das Leben gleicht dem Weltmeer. Die Wogen, welche es wirft, sind nicht die Folgen einer horizontalen Bewegung, sondern die Wasser steigen auf und nieder. Der Tropfen, welcher sich jetzt, hoch aufspritzend, aus den Wellenkämmen erhebt, sinkt im nächsten Augenblick vielleicht in die Tiefe des Grundes hinab und kommt erst lange Zeit später in seiner Auflösung oder Vereinigung mit anderen Tropfen auf der Oberfläche wieder zum Vorscheine.
So verschwinden auch im Leben der Völker oder des einzelnen Menschen die Ereignisse zuweilen von der Oberfläche und kommen zu unserer Überraschung ganz plötzlich an einem Ort und zu einer Zeit wieder zum Vorschein, wo und wann wir es am allerwenigsten erwartet haben.
Seit den zuletzt erzählten Ereignissen waren mehrere Jahrzehnte vergangen, als in einem Kaffeehause zu Biscara einige französische Offiziere rauchend, trinkend und plaudernd beisammen saßen.
Biscara oder Biskra, wie der Araber das Wort ausspricht, ist ein Städtchen der Provinz Constantine in Algerien, wichtig als an der großen Karawanenstraße gelegener Handelspunkt und damals zur Zeit seiner Märkte sehr besucht von den Berbern und Beduinen der Umgegend, welche herbei kamen, um zu tauschen oder ihre Einkäufe zu machen.
Das Kaffeehaus hatte ein orientalisches Aussehen. An einem der Boulevards von Paris hätte es sich allerdings wohl ein wenig fremdartig ausgenommen, aber hier in Biscara war ganz dasselbe der Fall, freilich vom entgegengesetzten Standpunkt aus. Das Gebäude war in maurischem Stil errichtet, doch hatte man einige Fensteröffnungen durch die vordere Mauer gebrochen und über dem Eingang ein mit einer französischen Firma versehenes Schild angebracht.
Während der Mohammedaner in seinen Kaffeehäusern sich mit untergeschlagenen Beinen auf den Teppich niederläßt, welcher auf dem bloßen Fußboden ausgebreitet wird, gab es hier einige allerdings ziemlich roh gezimmerte Tische und Stühle.
Die Herren tranken schweren portugiesischen Wein und schienen ziemlich angeheitert zu sein.
Der Wirt trug die Tracht eines Zuaven, war aber allem Anscheine nach nicht ein Eingeborener, sondern ein Franzose, denn er sprach, wenn er gefragt wurde, genau den Dialekt der Gegend von Tours. Eben jetzt schüttelte er den Kopf und sagte:
„Wie kann ich wissen, ob dieser Mann bereits einmal in Biscara gewesen ist, Messieurs? Ich könnte günstigen Falls nur wissen, ob er mein Café einmal besucht hat.“
„Und das hat er wohl nicht?“
„Nein, obgleich ich die Möglichkeit zugebe, daß es einmal geschehen sein kann. Ich kenne ihn ja
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