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60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken

Titel: 60 - Der verlorene Sohn 01 - Der Herr der tausend Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ella von Helfenstein. Sie tat, als ob sie erschrecke, hier zu stören, kehrte aber doch nicht um. Der Fürst zeigte nicht die mindeste Spur von Unwillen. Er verbeugte sich höflich gegen sie und trat näher, um sich vorstellen zu lassen; dann aber wendete er sich um und kehrte in den Saal zurück.
    „Ein ausgezeichneter Kavalier“, meinte die Baronin, indem sie ihm mit einem träumerischen Blick folgte.
    „Aber viel, sehr viel anders, als man denkt“, antwortete Fanny.
    „Darf ich fragen, inwiefern, meine Liebe?“
    „Er ist ein Kavalier und doch zugleich ein Mann. Kommen Sie!“
    Der Fürst hatte die Dame des Hauses aufsuchen wollen. Neben derselben saß – die Baronesse Alma von Helfenstein.
    War das noch die Alma von früher, welche Gustav Brandt vor zwanzig Jahren seinen Sonnenstrahl genannt hatte? Ja. Ein Sonnenstrahl ist derselbe, ob vor tausend Jahren oder jetzt. So war es auch mit Alma. Da saß sie, tiefschwarz gekleidet, als ob sie in Trauer sei. Völliger Ernst lag auf ihrem Gesicht. Und doch war es, als ob Strahlen, lichte, warme Strahlen von ihr ausgingen und den Saal erwärmten.
    Die beiden Damen saßen am Kamin, als der Fürst sich ihnen näherte. Sie erhoben sich, und die Oberstin stellte ihn der Baronesse vor. Sein Auge ruhte mild und doch scharf forschend auf ihr. Sie sah ihn voll und ernst an, wie man es bei einem Mann tut, den man zum ersten Mal sieht und der einem völlig gleichgültig ist.
    Mehrere traten herzu, und es entspann sich ein animiertes Gespräch, welches sich erneuerte, als man bei Tafel saß. Er hatte – allen unbegreiflich – sich die Baronin Ella als Dame auserwählt, obgleich die Oberstin ihn hatte zur Tafel führen wollen.
    Man brachte, ohne zudringlich sein zu wollen, die Rede auf den Orient, auf Indien insbesondere. Er gab ausgezeichnete Schilderungen. Alles lauschte. Da fragte seine Nachbarin auch nach den indischen Gauklern.
    „Ist die Geschicklichkeit dieser Leute wirklich so ungeheuer, wie man sie beschreibt?“
    „Gewiß!“ antwortete er. „Aber die eigentlichen Zauberer leisten doch noch mehr als die Gaukler. Man weiß ja, daß die sogenannte Magie ihre Heimat in Indien hat. Teufel, Engel oder überhaupt Geister gibt es nicht, welche dabei helfen, und doch ist die Kunstfertigkeit jener Leute das Resultat einer geheimen Wissenschaft, welche nur Bevorzugten gelehrt wird.“
    „Gehören Sie vielleicht auch zu diesen Bevorzugten?“ fragte die einstige Kammerzofe.
    „Ja“, antwortete er einfach.
    „Wie herrlich! Würden Sie uns eine kleine Probe geben?“
    Dies erschien allen zudringlich. Er aber antwortete:
    „Gern. Aber ich muß bemerken, daß ich nicht die Macht habe, Unerklärliches zu erklären. Nur die Erfolge der Wissenschaft darf man zeigen, niemals aber über diese Wissenschaft selbst sprechen. Haben die Herrschaften zum Beispiel jemals einen echten Diamanten gesehen?“
    Alles schwieg. Darum fuhr er fort:
    „Meine Frage scheint eine Beleidigung zu sein, ist es aber nicht, wie ich gleich beweisen werde. Merken sie auf! Eins, zwei, drei!“
    Bei dem Wort Drei verlöschten sämtliche Lichter, welche den Saal erleuchteten. Wie war das möglich? Vielen begann zu grauen. Da erhob er sich von seinem Sitz und sagte:
    „Jetzt mag mein Ring hier leuchten. Eins, zwei, drei!“
    Bei dem letzten Worte entstrahlte seinem Ring, welchen er mit Daumen und Zeigefinger der Rechten emporhielt, eine solche Helligkeit, daß man hätte lesen können. Er schritt auf die Dame des Hauses zu, steckte ihr den leuchtenden Ring an den Finger und sagte:
    „Gestatten Sie, daß ich Ihnen diesen Diamanten, welcher in seiner Art einzig ist, zum Geschenk bestimme!“
    Sie wollte natürlich Einsprache erheben; er wehrte aber kräftig ab und kehrte an seinen Platz zurück. Der Ring leuchtete fort, steckte aber plötzlich an dem Finger einer anderen Dame und machte in ganz kurzer Zeit die Runde in der Weise um den Tisch, daß er an der Hand einer jeden Person einmal geleuchtet hatte. Plötzlich brannten alle Gasflammen wieder, und der Ring steckte an seinem Finger.
    Vielen graute es vor ihm. Er stieß ein halblautes, eigentümliches Lachen aus und sagte:
    „Die Wissenschaft stößt ab. Ich sehe, daß meine Nähe einigen Damen drückend ist. Ich werde ihnen Erlösung bringen, indem ich mich entferne. Gute Nacht!“
    Die Flammen zuckten einige Male auf und nieder – der Fürst war verschwunden; sein Stuhl war leer, aber ihn selbst hatte niemand gehen sehen; er war unsichtbar

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