600 Stunden aus Edwards Leben
gibt.
Ich erzähle ihm vom Grünen Flitzer. Ich sage, er sei das schönste Weihnachtsgeschenk gewesen, das ich je bekommen hätte.
Er sah aus wie so ein Dreirad von
Big Wheel
, weil er vorne ein großes Rad hatte und hinten zwei kleine, aber sonst war er ganz anders. Das große Vorderrad hatte keinen Lenker. Man steuerte die Hinterachse über zwei Hebel, wodurch die Hinterräder nach rechts oder links geschwenkt wurden. Man fuhr halb im Liegen, trat die Pedale am Vorderrad und konnte über die Lenkbewegung der Hebel durch die Gegend kurven.
»Das hier«, sage ich zu Kyle, »ist dein Grüner Flitzer. Nur dass er nicht grün ist, sondern blau. Und er ist aus viel besseren Teilen zusammengebaut. Die traurige Wahrheit ist, dass das Plastik an meinem Grünen Flitzer irgendwann kaputtging und die Räder Löcher bekamen.
Dieser hier hat außerdem einen verstellbaren Sitz, sodass du auch noch damit fahren kannst, wenn du größer wirst. Und er ist gefedert, damit dir die Löcher in der Straße nicht wehtun.«
»Er hat sogar einen Becherhalter!«, rief Kyle.
»Der ist für deine
Dr. Pepper
Light. Willst du das Dreirad ausprobieren?«
»Ja, na klar!« Er hüpft auf und ab.
Ich zeige ihm, wie die Hebel funktionieren – dass, wenn er den linken Hebel hochzieht und den rechten runterdrückt, sich die Achse so dreht, dass das Fahrzeug nach links fährt. Und andersherum fährt es nach rechts.
»Wenn du dich ein bisschen in die Kurve legst, geht es noch besser, und du wirst trotzdem nicht umkippen. Das Dreirad ist gut ausbalanciert. Fahr aber vorsichtig, und achte auf Autos, okay?«
»Okay.«
Dann zögert er. »Soll ich dir erst noch helfen, die Garage zu streichen?«
»Nein, das mach ich schon. Sag nur immer kurz Bescheid, wenn du vorbeifährst, ja?«
»Mach ich.«
»Hey, Kyle?«
»Ja?«
»Wie soll es denn heißen?«
Kyle zieht die Nase kraus und überlegt eine Sekunde, dann hellt sich sein Gesicht auf. »Blauer Blitz!«
Und dann ist er weg.
In den nächsten eineinhalb Stunden, in denen ich die Garage fertig streiche, dreht Kyle auf dem Bürgersteig seine Runden um den Block. Alle paar Minuten höre ich »Hallo, Edward!«, wenn er vorbeisaust – ein glücklicher Junge auf seinem Blauen Blitz.
Um 16:36 Uhr kommt Donna über die Straße und stellt sich Kyle in den Weg, der seine siebenunddreißigste Runde um den Block dreht. (Ich habe mitgezählt.)
»Holla, Meister. Was hast du denn da für ein Ding?«
»Das ist der Blaue Blitz, Mom.«
Donna sieht von dem Dreirad zu mir. »Ist das Ihres, Edward? Das ist wirklich toll.«
»Nein, es gehört mir«, sagte Kyle. »Edward hat es für mich gebaut.«
»Tatsächlich?« Donna sieht nicht so glücklich aus wie Kyle.
»Guck mal«, sagt Kyle und erklärt ihr, wie die Hebel funktionieren und dass der Sitz verstellbar ist und es einen Getränkehalter gibt und alles. Während er aufgeregt plappert, sieht Donna immer wieder zu mir auf meiner Leiter hoch.
»Okay, Kyle, das ist wirklich toll. Fahr es jetzt bitte nach Hause.«
Kyle will sich beschweren, aber Donna bringt ihn mit einem bösen Blick zum Schweigen.
»Bis bald, Edward. Und nochmals riesigen Dank«, sagt er, lässt sich wieder in den Sitz fallen und steuert den Blauen Blitz zu seinem Haus.
»Ich muss mit Ihnen reden, Edward«, sagt Donna.
»Okay.« Ich fürchte mich vor dem, was kommen wird.
»Was Sie für Kyle gebastelt haben, ist eine tolle Sache.«
Ich nicke.
»Aber es ist ein viel zu großes Geschenk. Was haben Sie dafür ausgegeben?«
»Ach, nicht so viel.« Das ist gelogen, und ich denke, sie weiß es.
»Ich würde Sie gern dafür bezahlen.«
»Das will ich aber nicht.«
»Ich würde mich dann aber besser fühlen.«
»Aber ich würde mich schlechter fühlen. Ich habe es gebaut, weil ich es wollte.«
»Kyle soll Sie nicht als den Typen von gegenüber ansehen, der ihm Sachen schenkt.«
»Ich schenke ihm keine Sachen. Ich habe ihm diese eine Sache geschenkt.«
»Ich würde mich besser fühlen, wenn ich Ihnen Geld dafür gebe.«
»Vielleicht können Sie mir einfach irgendwann einen Gefallen tun.«
Sie zuckt zusammen und macht ein empörtes Gesicht. »Was meinen Sie damit?«
»Ich meine gar nichts.«
»Sie werden Kyle nicht benutzen, um an mich ranzukommen.« Sie scheint jetzt richtig böse zu sein.
»An Sie rankommen?«
»Sie haben mich schon verstanden.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Sie irritieren mich.«
»Ich sage es ja nur.«
»Es ist noch nicht einmal ein Geschenk.
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