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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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zeichnet mit ihrer Hand eine Parabel über den Tisch.
    »Das Essen ist gut.«
    »Nein, über uns … darüber, dass wir hier sind«, sagt sie. »Warst du nervös? Ich schon.«
    Ich denke ein paar Sekunden über ihre Frage nach, bevor ich antworte.
    »Ich denke, ich war ein bisschen nervös. Ich bin heute Morgen sehr früh aufgewacht, um fünf Uhr siebenundfünfzig. Normalerweise wache ich zu einer von vier Zeiten auf – sieben Uhr siebenunddreißig, sieben Uhr achtunddreißig, sieben Uhr neununddreißig oder sieben Uhr vierzig –, aber heute bin ich um fünf Uhr siebenundfünfzig aufgewacht und habe an heute Abend gedacht.«
    »Was hast du gedacht?«
    »Ich habe überlegt, ob wir Sex haben werden.«
    »Was?«
    »Ich habe nichts geplant, aber ich habe überlegt, was passieren würde, wenn wir es tun.«
    Joy sieht verstimmt aus. »Wir werden keinen Sex haben.«
    »Ich weiß. Das habe ich auch entschieden.«
    »Tja, da bin ich froh.«
    »Ich sehe einfach nicht, wie das gehen soll. Ich würde
Polizeibericht
verpassen.«
    »Das ist nicht der einzige Grund, warum es nicht passieren wird. Und hör mal, ich hab über
Polizeibericht
nachgeforscht. Warum redest du ständig über eine Fernsehserie von vor vierzig Jahren?«
    »Ich sehe immer
Polizeibericht
, jeden Abend um zehn.«
    Ich schaue auf die Uhr. Es ist 20:04 Uhr.
    »Ich fühle mich bei diesem Gespräch sehr unwohl«, sagt Joy.
    »Das tut mir leid.«
    »Ich kann nicht fassen, dass du von Sex gesprochen hast. Das ist wirklich total daneben.«
    »Ich bin nur ehrlich gewesen mit dem, was ich heute Morgen gedacht habe, weil du mich gefragt hast.«
    »Ich weiß nicht. Ich fühle mich wirklich unwohl. Ich glaube, ich werde gehen.«
    Joy winkt der Bedienung, bittet um eine Mitnehmbox für ihren Lobster Mac’n’Cheese und um getrennte Rechnungen. Als sie gebracht werden, legt sie Bargeld auf den Tisch, um ihren Anteil zu begleichen, dann steht sie auf.
    »Tja, es ist noch eine lange Fahrt nach Broadview«, sagt sie. »Ich melde mich dann.« Damit dreht sie sich um und geht hinaus.
    Ich greife in die Brusttasche meines Jacketts, um mein Portemonnaie herauszuziehen, und merke, dass ich ihr gar nicht die CD gegeben habe.

    Bis ich zu Hause ankomme, habe ich die Szene in meinem Kopf mehrmals wiederholt, und ich bin verzweifelt. Joy dachte, dass ich Sex mit ihr haben wollte, und hat sich verdrückt. Ich wollte keinen Sex mit ihr. Das habe ich ihr gesagt. Sie hat nicht verstanden, was ich gesagt habe.
    Und dann dieser letzte Satz: »Ich melde mich dann.«
    Sie steht einfach nicht auf mich.

    Ich treffe eine kühne Entscheidung: Ich werde heute Abend keinen
Polizeibericht
sehen. Ich habe dafür nicht die nötige Kraft.
    Das ist sehr schade, denn die vierte Folge der ersten Staffel, »Das interne Verhör«, ist nicht nur eine meiner Lieblingsfolgen, sie ist meine liebste Folge. Kent McCord spielt den jungen, neuen Polizisten Paul Culver, der während eines Einsatzes als verdeckter Ermittler für einen Schnapsladenräuber gehalten wird. Sergeant Joe Friday und Officer Bill Gannon, die gerade als interne Ermittler arbeiten, versuchen, die Wahrheit aus ihm herauszupressen: Hat er den Schnapsladen ausgeraubt oder nicht?
    In dieser Folge, die das erste Mal am 9. Februar 1967 ausgestrahlt wurde, hält Sergeant Joe Friday eine Rede, von der ich finde, dass sie gedruckt und an jeden angehenden Polizisten verteilt werden sollte. Sie dauert einige Minuten und wird niemals langweilig. Paul Culver sitzt wie gebannt da (ich liebe das Wort »gebannt«), während Sergeant Joe Friday ihm erzählt, dass es harte Arbeit sei, ein Polizist zu sein, dass Polizisten bei normalen Leuten nicht besonders gut angesehen seien, dass sie nicht viel Geld verdienen und in ihrer Laufbahn ebenso viele Wörter schreiben würden, wie es sie in der Bibliothek gebe. Er erzählt Paul Culver, er werde Dinge sehen, die ihm das Herz brächen, und dass böse Menschen versuchen würden, ihm Böses anzutun.
    Das alles klingt nicht sehr verlockend, aber Sergeant Joe Friday sagt, er sei stolz darauf, Polizist zu sein, und zum Schluss sagt Paul Culver, er sei ebenfalls stolz, ein Polizist zu sein. Sergeant Joe Friday überzeugt ihn, dass er dabeibleiben soll, auch wenn Culver sich aufregt, dass er fälschlicherweise eines Verbrechens beschuldigt wurde.
    Sergeant Joe Friday sagt immer genau das, was er sagen will. Ich wünschte, heute Abend wäre ich er gewesen.

    Außerdem verzichte ich auf meinen Beschwerdebrief. Ich

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