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600 Stunden aus Edwards Leben

600 Stunden aus Edwards Leben

Titel: 600 Stunden aus Edwards Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Lancaster
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paar Walker und ein paar ältere Autofahrer. Ansonsten gehört die Lewis uns.
    »Was passiert heute? Die Vorführung vor den Haftrichter?«, frage ich Donna.
    »Ja.«
    »Das sollte nicht lange dauern. Bei Vorführungen ist das so.«
    »Ich hoffe es.«
    »Häufig erscheinen die Opfer zu diesem Termin gar nicht.« Ich weiß nicht, ob Donna Middleton nach einer Ausflucht sucht, doch falls ja, möchte ich sie ihr geben.
    »Ich werde da sein«, sagt sie, »jedes Mal, wenn er es ist.«

    Das Gerichtsgebäude von Yellowstone County gehört zu den markanteren Gebäuden in der Skyline von Billings. Um anderen Skylines gegenüber gerecht zu bleiben: Die von Billings ist nicht sonderlich beeindruckend. Trotz ihres ungeheuren Wachstums in den letzten zehn Jahren ist Billings in vieler Hinsicht dieselbe kleine Eisenbahnarbeiterstadt, als die sie 1882 gegründet wurde.
    Das Gericht befindet sich in einem achtstöckigen Gebäude aus Baugranit an der südöstlichen Ecke der 3rd Avenue North und North 27th Street. Von allen Gebäuden der Innenstadt würde ich sagen, dass nur das
Crowne Plaza Hotel
, das Gebäude der
Wells Fargo Bank
(welches neben dem Gericht steht) und das Gebäude der
First Interstate Bank
gleichermaßen markant sind. Als ich noch im Gericht arbeitete, war ich stolz darauf, jeden Tag in ein so wichtiges Gebäude zu gehen.
    Wir parken in der Garage, die zum Wells-Fargo-Gebäude gehört, und gehen dann zu Fuß über die 2nd Avenue zum Gericht.
    Donna gibt an, dass der Termin in Abteilung 1 stattfindet. Dort sei der Gerichtssaal von Richter Alan Robeson, erwidere ich.
    »Ist das gut?«, will sie wissen.
    »Das ist sehr gut. Richter Robeson ist ein weiser und logischer Mensch.«
    »Gut.«
    Wir fahren mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock, in dem der Gerichtssaal von Richter Robeson liegt (genau ist es der Raum 506).
    Es ist 9:21 Uhr. Es wird nicht mehr lange dauern.

    Zu manchen Gerichtsterminen erscheinen die Angeklagten oft nicht selbst, häufig sind sie nur über Videokonferenz aus dem Gefängnis zugeschaltet. Zur Vorführung vor den Haftrichter allerdings, wo die formelle Anklage verlesen wird und Staatsanwalt und Verteidiger die Kautionssumme aushandeln, sind sie aber meist doch persönlich anwesend.
    Die Bezirksgerichtssäle von Yellowstone County sind puristische Orte. (Ich liebe das Wort »puristisch«.) Die Einrichtung stammt aus den Sechzigerjahren und legt mehr Gewicht auf Funktion denn auf Stil. Der Zuschauerbereich, in dem auch wir sitzen, besteht aus fünf Bankreihen, wie in einer Kirche. Die Reihen sind durch einen Mittelgang geteilt, der zu dem Rednerpult vor dem Richter führt. Als wir den Raum betreten, wählt Donna einen Platz in der ersten Reihe des Zuschauerbereichs.
    Es gibt zwei Tische, einen für die Verteidigung und einen für den Staatsanwalt. Der Richter sitzt auf einem Podium, Richterbank genannt, und neben ihm befinden sich der Zeugenstand und ein Gerichtsschreiber. Auf der Geschworenenbank sitzen heute viele Häftlinge in ihren unverwechselbaren orangefarbenen Overalls des Bezirksgefängnisses. Ihre Hände sind vor dem Körper mit Handschellen gefesselt und an einer Kette um ihre Taille befestigt. Auch ihre Füße sind gefesselt. Mike ist einer von ihnen, und er starrt zu Donna Middleton und mir herüber. Ich wende den Kopf und betrachte die Symbole an der Wand hinter Richter Robeson – die Flaggenvon Montana und den Vereinigten Staaten und das Siegel von Montana. Ich hoffe, Donna Middleton sieht ebenfalls in eine andere Richtung.
    Gerichtliche Anhörungen dieser Art sind Massentermine, in denen Anklageerhebungen, Änderungen der Geständnisse, Verletzungen von Bewährungsauflagen und so weiter verhandelt werden. Der Richter arbeitet sich aufmerksam, aber zügig durch die Fülle von Fällen. Oft bearbeitet er mehr als zwanzig Fälle in zwei Stunden, manchmal sogar noch mehr.
    Mike ist der vierzehnte der siebzehn Fälle, die Richter Robeson heute vorgestellt werden. Als er aufgerufen wird, holen ihn zwei bewaffnete Justizwachtmeister aus der Geschworenenbank. Während er zum Rednerpult schlurft, sieht er Donna unverwandt an, und sie greift meine Hand und drückt sie ganz fest. Es tut weh. Ich drehe den Kopf und sehe, dass sie Mikes schneidenden Blick erwidert.
    Die Anhörung verläuft genau so, wie ich es Donna vorausgesagt habe.
    Als Erstes verlangt der Staatsanwalt, dass die Anklage – Verstoß gegen eine einstweilige Verfügung und tätlicher Angriff – richterlich bestätigt

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