Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
Vom Netzwerk:
muss er das Bett hüten. Ich hoffe, Sie stören sich nicht an der Dunkelheit. Seine Augen vertragen kein Licht. Seine Erkrankung … Stellen Sie sich vor, letzten Monat ist er einhundertzehn geworden!«
    »Einhundertzehn!«, stieß Albert ungestüm aus. Er sprach im Flüsterton, dennoch hallte es von den Wänden der Galerie wider, über die sie nun schritten.
    »Der Herr hat gewollt, dass er so lange bei uns bleibt, um uns zu inspirieren und unseren Glauben zu stärken. Für mich ist er ein lebender Heiliger. Die Ärzte sagen, er kann jetzt jeden Augenblick sterben. Der Ärmste leidet sehr … Hier ist es.«
    Der kleine Mönch klopfte an die hölzerne Tür der Zelle. Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnete er die Tür und hob seine dünne Stimme, so gut er konnte, um die Ankunft des Jesuiten zu melden.
    »Ich bringe Ihnen den Pater aus Rom, den Freund von Kardinal Ignatius Franzik.«
    »Ich habe Sie erwartet. Bitte setzen Sie sich.«
    Die Dunkelheit in der Zelle wurde nur von dem Licht, das durch die offene Tür hereinfiel, erhellt. Albert erblickte ein verehrungswürdiges Gesicht, hager, länglich und voller Falten. Die Haare waren luftig wie Seide und sehr weiß. Der uralte Mönch hob eine zittrige Hand und deutete damit auf den einzigen Stuhl in der Zelle, neben seinem Bett.
    »Danke, Bruder Giulio«, sagte Cloister. »Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.«
    »Das tust du nicht, mein Sohn. Deine Seele ist bedrückt, und du möchtest mir Fragen stellen. Ich hoffe, ich habe Antworten auf deine Fragen. Und dass diese Antworten deinem Geist Frieden schenken.«
    Albert setzte sich. Der andere Mönch zog sich zurück und schloss die Tür hinter sich. Nun lag die Zelle völlig im Dunkeln. Allerdings merkte der Jesuit nach einer Weile, dass ein einzelner Lichtstrahl durch einen Spalt im Ochsenauge in der Außenwand fiel.
    »Der gute Ignatius hat mir erzählt, was deine Seele be-drückt. Die Vision eines bösen Wesens im Feuer, und auch deine Nachforschungen zu den Erfahrungen von Menschen mit Visionen eines teuflischen Jenseits. Und der Satz, auf den du schon mehrfach gestoßen bist: ›Die Hölle ist überall.‹ Du bist besorgt. Du hegst einen Argwohn, und Zweifel erwachen in dir. Du willst wissen, was das alles bedeutet und was du damit zu tun hast.«
    Die Stimme des alten Mannes klang tief und zugleich sanft. Man merkte ihr nicht die geringste Angst vor dem Tod an, der ihren Besitzer nun schon bald erwartete.
    »Ich gestehe, ich bin einigermaßen verwirrt. Sehr verwirrt.«
    »Das ist ganz natürlich. Ignatius hat mir nur Gutes über dich erzählt. Er sagt, du bist ein ehrlicher, fleißiger junger Mann. Dein Glaube ist fest, obwohl du ein Mann der Wissenschaft bist. Vielleicht hat der Böse dich genau deshalb auser-wählt, um Verwirrung zu stiften. Er greift immer die treuesten Diener unseres Herrn an. Die, die ihm am besten dienen. Diese hasst der Teufel am meisten. Er erträgt sie nicht. Es ist ein Mysterium, warum der Allmächtige Satan gestattet, in der Welt zu wirken. Die Theologen finden dafür keine Erklä-rung. Sicher ist es Teil eines Plans, dessen Beweggründe und Ziele wir nicht verstehen. Es sind die krummen Zeilen unter einer Handschrift, die trotzdem stets gerade ist.«
    »Aber meine Vision, dieser Satz über die Hölle, die gebrochenen Knochen der …«
    »All dies ist verstörend, das gebe ich zu. Dennoch ist das Gute dem Bösen überlegen. Dieses Jammertal ist wie eine Hölle, die wir alle überwinden müssen, ehe wir die Herrlichkeit erlangen können. Ich glaube, das ist wie die Schule für die Kinder. Gott will, dass wir wissen, was Schmerzen sind, damit wir das Vergnügen, die Freude und das Glück verstehen. Genauso wie ein Vater zulässt, dass sein Kind Fehler macht und stolpert – nicht, weil er es nicht liebt, sondern, gerade weil er es liebt. Er lässt ihm seine Freiheit und ermög-licht ihm, seine eigenen Erfahrungen zu machen.«
    Albert hob den Blick, obwohl er in der Dunkelheit nichts sah. Seine Augen wurden feucht und bebten, als er sich an ein anderes Paar Augen erinnerte, das ihn noch vor wenigen Ta-gen angesehen hatte.
    »Bruder Giulio, das Böse ist mir begegnet. Es kam aus dem Feuer. Es hat mich gesucht. Ich mische mich in seine Pläne ein, indem ich diese Fälle von Nahtod-Erfahrung untersuche, und jetzt bin ich Teil des … Jetzt bin ich Gegenstand meiner eigenen Nachforschungen!«
    »Ein Gesicht, das aus dem Feuer kam, Augen, ein Blick. So etwas ist schon einmal geschehen.« Der

Weitere Kostenlose Bücher