616 - Die Hoelle ist ueberall
Vorsicht gebot, dass er nichts von alldem erfuhr.
Joseph hatte sonst niemanden, an den er sich wenden konnte, doch er würde nicht aufgeben. Er hatte Daniel beim Brand des Klosters nicht im Stich gelassen, und er würde auch für Audrey alles tun, was ihm möglich war.
26
Boston
In der Tiefe der vergessenen, von einer unbekannten Energie erfüllten Krypta versank Albert Cloister in Gedanken, die sich seiner bewussten Kontrolle immer weiter entzogen. Ohne zu wissen, wie oder warum, wurde ihm plötzlich schwindelig, und er musste sich setzen. Beinahe sofort und ohne etwas dagegen tun zu können, fiel er in einen tiefen Schlaf und betrat das Universum des Unterbewussten. Die Traumbilder schufen eine trügerische Realität, in der die Dimensionen von Raum und Zeit aufgehoben waren.
Ein wolkenloser, unbeschreiblich blau-transparenter Him-mel überspannte eine grenzenlos weite Landschaft. Unbekannte friedliche Tiere weideten an einem still dahinfließen-den Bach. Blumenduft erfüllte die Luft. Cloister flog über Felder dahin. Im Hintergrund rückten Berge näher. Sie waren schön, ihre Gipfel schneebedeckt. Jenseits der Berge lag ein türkisfarbenes Meer mit weiß gekrönten Wellen. Tausende von Fischen durchbrachen die Wasseroberfläche und sprangen durch die Luft. In dieser irrealen Welt war die Glückseligkeit so real wie in der realen Welt ein Fels.
Die Sonne versank am Horizont. Majestätisch ging der Mond auf und schien fast ein Gesicht zu haben. Er war herr-lich, hell leuchtend, ein Beschützer. Nun schwebte Cloister über einer Stadt mit Schiefer-und Ziegeldächern, Dachterras-sen und Straßen. Die Lichter der Stadt leuchteten vielfarbig.
Plötzlich tauchte das Vendange Building vor ihm auf, und er flog hinein. Er war allein. Frieden und Heiterkeit wichen einem Gefühl der Verlassenheit. Er verspürte eine große Leere in der Brust, ein Gefühl, das sich immer mehr verstärkte, je näher er in seinem Traum der Krypta unter dem Gebäude kam. Alles war wie immer, und zugleich irgendwie ganz an-ders.
Immer noch schwerelos schwebte er hinein. Auf dem Altar lag eine Frau. Sie war nackt und sehr schön, mehr noch: Sie war berückend schön. Sie besaß üppige Brüste und einen flachen Bauch, und darunter lag ihr Geschlecht hinter schwarzem Schamhaar wie hinter einem Schleier verborgen. Ihre Haut war tiefbraun, und selbst aus der Entfernung sah er ihr Herz vor Verlangen wild klopfen. Sie blickte den Priester an und drehte sich dabei um. Cloister begehrte diese Frau und verspürte zugleich den Impuls zu fliehen. Doch er konnte sich nicht abwenden. Da war eine Anziehungskraft, der sein im-mer schwächerer Widerstand kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Die Frau stand auf, und ihr üppiger Körper bot sich dem Blick des Priesters in all seiner Herrlichkeit dar. Sie steckte die Finger in den Mund und leckte lüstern daran. Dann führte sie die Hand hinab zu ihrem Geschlecht und streichelte sich, bis sie sichtbar feucht wurde.
Cloister befand sich direkt vor ihr. Er umarmte sie und spürte ihre Brüste an seiner Brust. Ihre Münder trafen sich, und ihre Zungen verflochten sich ineinander. Die Frau be-gann, Cloister zu entkleiden. Sie zog ihm die Jacke aus, dann das Hemd, öffnete seinen Gürtel und ließ seine Hose herab. Dann versetzte sie ihm einen Schubs, so dass er auf den Altar fiel. Der Priester lag auf dem Rücken, sein Glied voll erigiert. Die Frau setzte sich auf ihn, und er drang heftig in sie ein. In diesem Augenblick gab es keine Gewissensbisse; die waren an einen fernen Ort geflüchtet. Er und die Frau bewegten sich mit immer größerer Heftigkeit, fieberhaft. Die Frau ritt ihn in wilder Ekstase. Dann verwandelte ihr lustvolles Stöhnen sich in Schmerzensschreie.
»HÖR AUF, HÖR AUF!«, schrie Cloister und versuchte, sie zu bremsen.
Da sah er, dass heißes Blut über ihn strömte, wie vulkani-sche Lava lief es über seinen ganzen Körper. Als er die Augen der Frau sah, musste er einen zweiten Schrei ersticken. Ihr Gesicht war völlig verändert. Ihre Augen glänzten, und ihr Mund schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ihr ganzer Körper war mit Schweißperlen bedeckt. Plötzlich hielt sie inne, und ihr Gesicht erschlaffte ruckartig. Ihre Au-gen erloschen, und ihr Mund schloss sich. Ein letztes klägliches Stöhnen, und sie sank vornüber auf dem Priester zusammen.
Cloister schrak hoch und war zurück in der Wirklichkeit. Er hatte einen grauenvollen Alptraum gehabt und war völlig
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