Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
66095: Thriller (German Edition)

66095: Thriller (German Edition)

Titel: 66095: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
Vom Netzwerk:
ausgelöst, aber jetzt nickte sie bloß. »Ja«, sagte sie. »Ganz bestimmt.«
    Sie trat in den Höhleneingang. Hier war es kühl, um die zwölf Grad, und sehr feucht. Der Boden fiel steil nach rechts ab und verlor sich dann im Dunkeln. Trockener schwarzer Guano bedeckte den Boden und knirschte bei jedem Schritt. Ein säuerlicher Geruch erfüllte die Luft. In den Spalten an der Höhlendecke hingen Hunderte von Fledermäusen. Als Cricket vorüberging, wurden die Tiere unruhig. An den Höhlenwänden ringsum zeigten sich Sinterstellen – vermutlich Eisen, das den Kalkstein rostrot färbte. Langbeinige, sandfarbene Höhleninsekten krochen über den Fels.
    Cricket griff an ihren gepolsterten Neoprengürtel, der sich perfekt um ihren Rücken schloss, und schaltete ihre SuperGlo ein. Ein breiter Lichtstrahl flutete aus der Stirnlampe an ihrem Helm. Sie reduzierte die Helligkeit auf die Hälfte, ließ sich auf allen vieren nieder und krabbelte in einen schwarzen Plastikkanal, der den Vorraum mit dem größeren Höhlenraum verband. Der Kanal war zehn Meter lang und führte in einem 20-Grad-Winkel in die Erde hinein. Sie glitt durch den Tunnel in eine Welt der totalen Finsternis, eine Welt, in der sie das Gewicht und den Druck zehntausender Tonnen Fels ringsum unmittelbar zu spüren glaubte.
    Cricket hatte schon so viel Zeit ihres jungen Lebens unter Tage verbracht, dass sie diese Erfahrung am ehesten damit vergleichen konnte, wenn sie mit Taucherbrille und Schnorchel im Ozean schwamm – alle Sinneseindrücke wurden verändert und gedämpft. Vom Sehen hing hier drin alles ab, aber es war durch den Sichtkreis der Stirnlampe eingeschränkt. Die Geräusche wurden durch die sich stets wandelnde Akustik beeinflusst. Und der Tastsinn wurde durch die schweren Handschuhe und den Schutzanzug behindert.
    Ihr Vater kam hinter ihr aus dem Tunnel und strahlte übers ganze Gesicht. »Ist es nicht großartig, dass sich die Lunarbergleute hier ihre Sporen verdienen, Crick?«, sagte er. »Höhlen verlangen dem Menschen das Letzte ab, sie legen seine Stärken und Schwächen bloß wie ein Elektronenmikroskop das Innenleben eines Moleküls bloßlegt.«
    »Vermutlich«, meinte sie.
    »Weißt du, warum ich Höhlen so liebe?«
    »Nein, aber du wirst es mir gleich verraten.«
    Er runzelte die Stirn. »Genau. Ich werde es dir sagen. Ich liebe Höhlen, weil die Stille so vollkommen ist, dass du ganz deutlich dein eigenes Herz schlagen hören kannst. Das ist zwar nicht immer angenehm, aber manchmal eine notwendige Erfahrung. Stimmt’s?«
    Cricket sah zu ihrem Vater auf und fand, dass er ein Trottel war, aber einer von der netten Sorte. »Ja, wahrscheinlich hast du Recht, Dad.«
    »Natürlich hab ich Recht. Dann mal los.«
    Sie folgte ihrem Vater unter einem Überhang in einen großen Höhlenraum, der wie eine Apsis geformt war. Das gewaltige Dunkel ringsum konnte ihre Lampe nicht ausleuchten, vielmehr sah sie immer nur schattenhafte Abschnitte des Höhlenraums. Der Boden war mit kleinen schwärzlichen Felsbrocken übersät. Am anderen Ende des Raums ragte ein Geröllhaufen beinahe bis zur 20 Meter hohen Decke empor.
    Eine kühle Brise streifte ihre Wangen, es war ein anhaltender Luftzug, den ihr Vater den »Atem des Labyrinths« nannte. Der Geruch des Höhlenwindes wirkte meist beruhigend auf Cricket; er erinnerte sie an Herbstabende nach einem milden Regen. Aber jetzt brachte der Atem der Unterwelt einen Duft mit, der sie überraschte. Vor zwei Jahren war sie mit ihren Eltern zu einem Besuch bei Verwandten in Savannah, Georgia, gewesen. Dort hatten sie den berühmten Bonaventure-Friedhof besucht und einige Mausoleen besichtigt. »Der Atem des Labyrinths« hatte nun jene beißende Muffigkeit an sich, die ihr damals in den Gruften in die Nase gestiegen war. Diesen Friedhofsgeruch hatte sie nie zuvor mit dem Labyrinth in Verbindung gebracht, und er schien ihr so fehl am Platz, dass sie nervös wurde.
    Noch argwöhnischer wurde sie, als sie und ihr Vater sich dem großen Geröllhaufen näherten. Ihr Vater versicherte den Journalisten bei Interviews immer, Höhlen seien lebendige Organismen, die aus löslichem Gestein, Luft und Wasser anstelle von Fleisch und Blut bestehen. Aber aus dem Englischunterricht wusste sie, dass dies nur eine Metapher war, die einer geologischen Formation eine Persönlichkeit verlieh. So etwas gefiel Leuten, die noch nie eine Höhle betreten hatten. Aber jetzt kam Cricket die Höhle unheimlich vor, sie schien sie zu

Weitere Kostenlose Bücher