68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
gebrauchen verstehst. Setz dir einen Stuhl zu mir, und höre mich an!“
„Aber, meine beste Mutter! Warum das denn grad so im ersten Augenblick meiner Ankunft?“
„Ich habe diese Ankunft so heiß ersehnt und erwartet, daß ich nun, da sie erfolgt ist, keinen Augenblick länger warten möchte. Rede mir also nicht darein, sondern tu mir meinen Willen!“
Er zog sich einen Stuhl in ihre unmittelbare Nähe und wartete, daß sie beginnen werde. Sein Auge war mit angstvoller Besorgnis auf sie gerichtet, nicht wegen der Mitteilungen, die er erwartete, sondern aus Angst, daß dieselben ihr schaden möchten. Er liebte seine Mutter aus vollster Seele. Sie war ihm sein alles gewesen, und es hatte kein anderes Wesen gegeben, welchem er irgendeinen Dank schuldete.
Sie blickte sinnend vor sich hin. Endlich, wie nach einer gewissen Überwindung, begann sie.
„Ich habe dich um deine Verzeihung zu bitten, mein lieber Rudolf, daß ich dir eine nicht ganz unwichtige Mitteilung bisher vorenthalten habe. Du wirst aber später meine Gründe begreifen und zu würdigen wissen. Du heißest nämlich nicht Sandau, sondern Rudolf ‚von‘ Sandau. Du bist adelig!“
Er fuhr vom Stuhl empor. „Mutter, ist's wahr?“
„Ja.“
„Ah! Der Herr heut auf dem Bahnhof!“
„Was meinst du?“
„Ich wurde gefragt, ob ich adelig sei.“
„Das wäre ja wunderbar! Von wem?“
„Von einem fremden Herrn, welcher keine Zeit fand oder überhaupt nicht die Absicht hatte, mir seinen Namen zu nennen.“
„Hast du nicht nach ihm gefragt?“
„Es konnte mir niemand Auskunft erteilen.“
„Bitte, erzähle es mir.“
Er berichtete ihr das Vorkommnis, so wie er es bereits dem Sepp erzählt hatte, und beschrieb auch die Person des Barons möglichst genau. Der Wurzelhändler verhielt sich schweigsam dazu.
Seine Mutter hörte ihm aufmerksam zu und versank, als er geendet hatte, in tiefes Nachsinnen. Dann sagte sie:
„Ich weiß nicht, wer dieser Mann gewesen sein mag. Ich habe keine Ahnung. Aber ein Bekannter deines Vaters muß er gewesen sein. Du siehst dem letzteren außerordentlich ähnlich, und dieser Fremde ist, als er dich erblickte, so lebhaft an ihn erinnert worden, daß er seinen Namen ausgerufen hat, welcher übrigens auch der deinige ist, denn dein Vater hieß ebenso wie du Rudolf!“
„Ich werde nach diesem Mann forschen.“
„Tu das, mein Sohn. Freilich glaube ich nicht, daß du ihn finden wirst.“
„Der Sepp will mir helfen.“
„So? Dann wäre es vielleicht möglich.“
In diesen Worten sprach sich so einfach und doch so deutlich das Vertrauen aus, welches der Alte besaß. Man war es eben von ihm gewohnt, daß er Rat und Hilfe wußte, wenn kein anderer zu raten und zu helfen vermochte.
„Ja“, nickte er. „Ich werde denen Kerlen schon finden. Aber jetzunder sprechen wir nicht von ihm. Lassen 'S sich nicht stören.“
„Sie haben recht. Ich habe Wichtigeres zu sagen. Ich muß nämlich hinzufügen, lieber Rudolf, daß auch ich von Adel war, als dein Vater mich kennenlernte. Mein Mädchenname war Emilie ‚von‘ Sendingen.“
„Aber warum hast du mir das niemals gesagt, Mutter?“
„Du solltest einesteils dich auf deine eigene Kraft verlassen und nicht auf das kleine Wörtchen, welches, wenn es vor einem Namen steht, den Menschen träge und doch anspruchsvoll zu machen pflegt. Und sodann hätte ich dir sagen müssen, warum ich dieses Wörtchen abgelegt habe, und das wollte ich mir und dir ersparen.“
Sie schwieg für einige Augenblicke, um ihren angegriffenen Denkvermögen Ruhe zu gönnen, und fuhr dann fort:
„Also nicht einen ausführlichen Bericht will ich dir geben, sondern ich beabsichtige nur eine kurze Mitteilung, damit du später begreifst, was du erfahren wirst. Ich war eltern- und vermögenslos und wurde mit einer nahen Verwandten, welche auch eine Sendingen war, von einer reichen Tante erzogen. Ich lernte deinen Vater kennen und lieben. Die Tante billigte dieser Liebe, bis ganz plötzlich eine Änderung in dieser Gesinnung eintrat. Sie verbot mir den Verkehr mit deinem Vater und bedrohte mich im Falle des Ungehorsams mit Enterbung. Was hättest du an meiner Stelle getan?“
„Auf das Erbe verzichtet.“
„Ich tat es. Ich verließ die Tante und wurde die Gattin, die glückliche Gattin deines Vaters. Leider aber währte dieses Glück nur kurze Zeit. Eines Tages – Gott, welch ein schrecklicher Tag – kehrte dein Vater nicht vom Spaziergang zurück, und an seiner Stelle kam die Nachricht,
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